Such mich Thriller
kannte New Yorker Huren von Harlem bis zur Battery, die sich Savannah nannten.
Charles Butler wartete geduldig darauf, dass der erschöpfte Detective selbst auf die Lösung kam, er hätte es unhöflich gefunden, auszusprechen, was so offenkundig war.
»All diese Telefongespräche machen Sinn«, räumte Riker
widerstrebend ein, »wenn Savannah Mallorys Mutter gekannt hat.« Er meinte die Kinderstimme bei den nächtlichen Anrufen zu hören: Hier Kathy. Ich habe mich verirrt. Hatte sie damals versucht, eine gute Bekannte der Familie zu finden? Warum aber hätte sich dann, nach einem freudigen Wiedersehen, Savannah Sirus in Mallorys Wohnung umbringen sollen? Und welche Verbindung gab es zur Route 66 und einem Kindermörder? Am liebsten wäre er mit dem Kopf gegen die Wand gedonnert, nach seiner Erfahrung half das manchmal.
»Kannst du feststellen, ob Miss Sirus mal in Louisiana gelebt hat?«
»Nein, Charles. Über unsere Dienststelle kann ich es nicht machen, solange ich nicht weiß, was in New York passiert ist. Irgendjemand könnte sonst auf die Idee kommen, dass es kein Selbstmord war. Was hast du mir noch zu bieten?«
»In dem Koffer habe ich einen Brief gefunden.«
»Ausgeschlossen.« Riker hatte das Gepäck höchstpersönlich durchsucht. Allerdings hatte er sich in den letzten Tagen immer mal wieder einen Kurzschlaf gegönnt - was konnte er da alles übersehen haben …
»Im Kofferfutter«, sagte Charles entschuldigend. Er widersprach nicht gern einem Freund.
»Lies vor.«
»Er ist kurz und scheint mehrere Monate alt zu sein. Sie schreibt: ›Ich will die übrigen Briefe haben. Alle!‹«
»Komisch. Mallory hat’s nicht so mit dem Briefeschreiben. Sie schickt E-Mails.«
»Vielleicht hat Savannah keinen Computer«, gab Charles, der Technikhasser, zu bedenken. »Überleg mal, wie oft Mallory bei dieser Frau angerufen hat. Vielleicht ist Miss Sirus zum Schluss nicht mehr ans Telefon gegangen. Und wie oft Mallory nicht zum Dienst erschienen ist - ehe sie ganz weggeblieben
ist, meine ich. Vielleicht stand sie eines Tages bei Miss Sirus in Chicago vor der Tür, und die hat nicht aufgemacht. Das wäre eine Erklärung für den Brief. Der Briefträger kommt immer durch.« Charles gab ihm eine kleine Schwarzweißaufnahme. »Das war auch im Futter.«
Auf dem Foto war ein junger Mann mit langem Haar zu sehen. Widerwillig holte Riker seine Lesebrille heraus. Jetzt erkannte er, dass das T-Shirt des Jungen mit einem Album-Cover aus einer anderen Zeit bedruckt war. »Frühphase der Rolling Stones. Der Typ hatte Geschmack.«
Charles hielt einen großen gelben Umschlag hoch. Er war in der Mitte gefaltet, damit er in das Kofferfutter passte. »Darin lassen sich viele Briefe verstauen.«
Riker nickte. Mallory hatte ausdrücklich Briefe verlangt, und es war unwahrscheinlich, dass ihr Logierbesuch mit leeren Händen nach New York gereist war.
Charles machte den Umschlag umständlich auf, drehte ihn um und schüttelte ihn, um zu zeigen, dass er leer war. »Offenbar wurden alle Briefe Mallory übergeben. Das Foto aber hat sie im Kofferfutter versteckt. Ich gehe davon aus, dass sie sich um keinen Preis davon trennen wollte.«
Riker rollte sich herum, um es im trüben Licht der Nachttischlampe genauer betrachten zu können. »Woher zum Henker willst du das wissen, Charles?«
»Die Aufnahme sagt uns noch viel mehr. Wenn du es dir mal in besserer Beleuchtung ansiehst …«
Das war das Letzte, was Riker hörte, dann war er eingeschlafen.
8
H inter der schlafenden Kleinstadt Galena, Kansas, bog Mallory von dem als Historic Route 66 gekennzeichneten Highway auf eine Landstraße ab, die durch Felder und offene Landschaft führte. Auf ihrem Reiseplaner zählte sie die Meilen bis zur nächsten Abzweigung - zehn, elf, fast am Ziel. Über dem flachen Grün der Felder erhob sich die Karosseriewerkstatt, die »in Größe und Form an einen Flugzeughangar erinnert«, wie es in dem Brief hieß. Und weiter berichtete der Briefschreiber, dass die Werkstatt einen Vierundzwanzig-Stunden-Betrieb in drei Schichten hatte. »Der alte Ray ist immer schon vor Morgengrauen auf den Beinen.«
Auf der langen unbefestigten Einfahrt kündigte sie ihre Ankunft mit Led-Zeppelin-Musik an - »Black Dog« in höchster Lautstärke. Angeblich war das Ray Adlers heimliche Erkennungsmelodie. Zusätzlich hupte sie und ließ den Motor aufheulen. Dann schaltete sie den iPod stumm, klappte die Sonnenblende herunter, um ihr Gesicht dahinter zu verbergen, und
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