Suche nicht die Suende
anzunehmen, dass Gwen nach dem Geschehen heute alle Türen verschlossen bleiben werden. Naivität, Belinda, ist deine absolute Unterschätzung der Macht von drei Millionen Pfund. Lamentiere ruhig weiter über das, was die Leute sagen werden. In Shanghai tratschen sie, wenn eine Frau zu große Füße hat – in Valparaiso, wenn sie ihre Mantille zu eng um den Oberkörper trägt. Aber ganz gleich, wer man ist, Geld lässt jede Sünde vergessen. Es wäscht jeden dunklen Fleck weg. In dieser Beziehung ist es wirksamer als Essig.«
Seine Schwester starrte ihn fassungslos an. »Das kannst du doch nicht wirklich glauben. Aber wenn doch, dann bist du zu lange von der Zivilisation fort gewesen.«
»Eine schöne Zivilisation«, entgegnete er süffisant. »Die Hälfte der Hochzeitsgäste hat heute Vormittag die Gelegenheit genutzt, darum zu beten, dass die Grundstückspreise steigen, damit sie ihre fünfzehntausend Hektar verkaufen und vom Erlös ihre Schulden bezahlen können, ehe sich die Gläubiger ihre Stadthäuser holen und ihnen die Saison verderben.
Das
ist eure Zivilisation. So korrupt wie jede andere auch.«
Belinda reckte kämpferisch das Kinn, sagte aber nichts.
»Oh, und lasst mich euch noch eines sagen«, fügte er hinzu. »Die Bodenpreise werden
nicht
steigen. Nicht sehr jedenfalls. Und nicht in absehbarer Zeit.«
Das Schweigen dehnte sich aus. Es kam ihm wie ein kleines Wunder vor. Endlich hörten seine Schwestern auf die Stimme der Vernunft.
Er beschloss, das auszunutzen, denn diese Gelegenheit kam nur alle Jubeljahre einmal vor. »Werdet endlich aktiv, statt bloß danebenzustehen und zuzusehen, wie Gwen wieder in eine Verlobung mit dem erstbesten Schurken stolpert, der sich die Mühe macht, sie anzulächeln. Ich schlage vor, dass ihr einen Kandidaten findet, der ihr ein anständiger Ehemann sein wird – oder der zumindest bis nach der Trauung bei der Stange bleibt.«
Belinda schnaubte. »Oh Alex.«
Natürlich hatte sie einen Einwand, er sah es ihr an. »Raus damit!«
»Was schlägst du vor? Dass wir ihr einen Mann aussuchen und ihm befehlen, sie zu lieben?«
Er schnaubte. »Liebe? Habt ihr nicht –«
»Paris!«, rief Elma.
»Nein«, lehnte Caroline den Vorschlag ab. »Der Viscount wird sich auf der Durchreise dort aufhalten. Der Zug nach Dover, du weißt –«
»Dann vielleicht Guernsey?«
»Guernsey«, echote Belinda.
»Ja, das ist perfekt! Was denkt ihr? Sonnenschein, frische Luft und absolut niemand von Bedeutung!«
Alex ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. Es war einfach sinnlos. Sie sollten lieber einmal darüber sprechen, wie Gwen es immer wieder schaffte, sich den schlechtesten aus einer großen Menge möglicher Heiratskandidaten herauszupicken. Zuerst Trent und jetzt dieser hier. Was den schlechten Geschmack an Ehebewerbern anging, so machte sie wahrhaftig schon Anne Boleyn Konkurrenz.
Er schüttelte den Kopf, als Caroline Cornwall gegen Guernsey ins Feld führte und die Debatte über mögliche weitere Verstecke wieder Fahrt aufnahm. Vielleicht irrte er sich aber auch über den Grund, warum Gwen sich immer Versager aussuchte. Vielleicht lag es ja daran, dass sie ihre Ratschläge bisher von diesem Haufen hier bekommen hatte. Zwar würde er um seiner Schwestern willen Messer verschlucken, aber falls sein Leben oder auch nur sein nächstes Mittagessen davon abhinge, würde er sie niemals um Rat fragen. Er hatte seine Schwestern noch nie für das Paradebeispiel gesunden Menschenverstandes gehalten.
Liebe
, hatte Belinda gesagt. Gwens Ziel hatte doch nichts mit Liebe zu tun. Sie war auf einen Status aus, auf einen Titel. Doch solange so gut wie jeder in ihrer Umgebung sie dazu ermutigte, diesen Ehrgeiz mit naiver Romantik zu verbrämen, würde ihre Suche nach dem goldenen Prinzen unfehlbar nur Kröten zutage fördern.
Verdammt. Er hatte Richard versprochen, sich um sie zu kümmern. Aber er hatte sich geweigert, direkt in diese Hochzeitssache einzugreifen. Und sein Sich-nicht-Kümmern hatte zu diesem Desaster heute geführt.
Schwarzer Humor machte sich in Alex breit. Hatte er überhaupt Zeit für diesen Unsinn? Nein. Aber wie schwer konnte es sein, einen vertretbaren Ehemann für Gwen aufzutreiben? Irgendwo musste es doch einen unverheirateten Idioten mit Titel geben, der nicht gewalttätig war. Der weder die Syphilis noch einen übermäßigen Durst auf Alkohol noch einen zerstörerischen Hang zum Kartenspiel hatte. Also jemand, der zu keinerlei Perversion neigte, weder in illegaler
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