Suche nicht die Suende
Amerikaner stand, wobei sie das laute
»Hey!«
des Mannes mit der Zeitung ignorierte.
Alex zog die Augenbrauen hoch.
Sie sah ihm in die Augen, als sie ihm den Krug an den Kopf warf.
Er duckte sich und die Menge hinter der Trennbarriere duckte sich mit ihm. Der Krug zerbrach auf dem Bürgersteig.
Völlige Stille.
»Das war ein wenig übertrieben«, kritisierte Alex. »Aber zumindest hast du dieses Mal gezielt.«
Jemand klopfte ihr auf die Schulter. Der junge Kellner, die Stirn kraus gezogen, streckte ihr gebietend die Hand hin.
»Weitere fünfhundert Francs, was meinst du?« Die Belustigung in Alex’ Stimme trug nicht gerade dazu bei, Gwens Zorn zu dämpfen. In einer Minute würde sie nicht einmal mehr
glauben
, was sie gerade eben getan hatte.
»Hundert«, sagte sie zu dem Jungen, und ihr Blick drohte ihm, sich zu unterstehen, den Geldschein nicht anzunehmen.
Er war kein Narr. Erneut verbeugte er sich tief vor ihr, während er sich zurückzog, den Geldschein fest in der Hand haltend.
Sie wandte sich Alex zu. »Ich brauche deine Hilfe nicht.«
Das Grübchen in seiner Wange strafte seine betrübte Miene Lügen: Er musste ein Lächeln unterdrücken.
»Mais non«
, sagte er. »Aber wenn du schon vorhast, so etwas zu tun, dann musst du es auch richtig machen. Das nächste Mal sollten fünfzig Francs voll und ganz genügen.«
6
Le Highlife du Westend.
In der Creme der französischen Gesellschaft war dies der Begriff, der auf mokante Weise den jährlichen Einfall von Engländern in Paris bezeichnete. Zugleich stand er für deren plumpe Art von Amüsement: der unersättliche Appetit auf Champagner (den kein echter Pariser anrührte, es sei denn während des Karnevals); die glühende Verfolgung der pausbäckigen
cocottes
, die in den Varietétheatern und in den Cafés des Quartier Latin arbeiteten; und dann die ausgedehnten Mittagsmahlzeiten bei Rinderkeule im
Richard-Lucas
. Kurz gesagt galt dieser Begriff als spöttische Bestätigung dafür, dass die gut situierten Engländer nach Paris kamen, um hier genau die gleichen Dinge zu tun, die sie in London zu tun pflegten. Wenn auch mit der zusätzlichen Möglichkeit, auf eine fremde Lebensweise zu starren, um sich in der Meinung zu bestärken, dass dem eigenen Heimatland der Vorrang gebühre.
Alex war überrascht, als er herausfand, dass es Barrington gelungen war, sich in der Rue de Varenne niederzulassen. Allgemein galt, dass die Nachbarschaft dort eifersüchtig über ihr aristokratisches Unter-sich-Sein wachte und nur wenige Ausnahmen für nur wenige ausgesuchte Amerikaner machte. Dass Barrington hier ein Haus bezogen hatte, bedeutete daher, dass er höheren Ortes über gute Beziehungen verfügen musste.
Aber Beziehungen waren nicht die einzige Quelle, auf die Barrington zurückgreifen konnte. Ebenso überraschend war die große Zahl von Männern, die sein Haus und Grundstück bewachten. Während Alex an der nächstgelegenen Straßenecke stand und vorgab, seine Pfeife zu rauchen, beobachtete er, dass ein Lieferant und auch der Briefträger angehalten und befragt wurden, bevor sie bis zur Eingangstür des Hauses vorgelassen wurden. Der Briefträger enttäuschte nicht und machte dem Zorn über diese Missachtung seiner Würde nachdrücklich Luft. Das wiederum veranlasste einen weiteren Wachmann, aus den Schatten des Erdgeschosses aufzutauchen, und dann einen dritten, sich aus einem der Fenster zu lehnen, um das Geschehen im Auge zu behalten.
Drei Männer, allein um den Eingang zu bewachen. Das schien seltsam. Englische Grundstücksbarone brauchten solche Sicherheitsvorkehrungen im Allgemeinen nicht.
Nach ungefähr einer halben Stunde entschied sich Alex gegen den Versuch, eine Annäherung zu unternehmen. Es war besser, zunächst so viel wie möglich über den Mann herauszufinden. Der erste und naheliegendste Gedanke war, herauszufinden, über wen er an dieses Haus gekommen war.
Und wer eignete sich dazu besser als die Großmeisterin des Klatsches höchstselbst? Heute, so erinnerte sich Alex, war die Rue de Varenne das Ziel von Elma Beechams gesellschaftlichem Besuchsmarathon.
»Nein«, sagte Elma geistesabwesend, »ich weiß nicht, wem das Haus gehört.« Sie warteten unter dem Kronleuchter der Lobby des
Grand Hotels
darauf, dass Gwen zum Essen herunterkam. »Aber natürlich kann ich es herausfinden«, setzte sie hinzu.
»Wenn Sie das tun könnten –«, sagte Alex. »Eine diskrete Erkundigung, natürlich. Woanders hätte ich meine Kontakte, aber nach Paris
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