Suche nicht die Suende
führen mich meine Geschäfte nur selten …«
Er verstummte, als ihm plötzlich klar wurde, dass Elma weder auf weitere Erklärungen noch darauf erpicht war, seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Genau genommen sah sie immer wieder zur Treppe hinüber. Sie hob die Hand, um sich nervös über das glatt frisierte blonde Haar zu streichen, und begann dann, mit ihrem Fächer einen unregelmäßigen Takt gegen die Innenseite ihres Handgelenks zu schlagen. »Wo bleibt sie nur?«, murmelte sie.
»Und wie geht es Gwen?«, fragte er langsam.
»Oh, sie – da kommt sie ja«, rief Elma.
Er folgte ihrem Blick zur Treppe und sah Gwen auf sie zuschweben.
Ich bin ein Idiot,
dachte er. Er hatte den grundsätzlichsten Grundsatz des Geschäfts vergessen: auf keine Herausforderung einzugehen, wenn man nicht darauf vorbereitet war, ihr zu begegnen.
Gestern Nachmittag hatte er Gwens Enthusiasmus noch als relativ harmlos eingestuft. Die Freude, mit der sie sich das Bier bestellt hatte, hatte ihn an seine Nichten erinnert, wenn sie mit Carolines Juwelen spielten und sich damit schmückten. Wo zwei Armbänder genügen würden, beharrten Madeleine und Elizabeth immer auf zwanzig, wobei sie sich die Armreifen bis hoch an die Achseln überstreiften.
Aber in den vergangenen vierundzwanzig Stunden schien Gwen Armbänder und Bier hinter sich gelassen zu haben, dafür aber kopfüber in einen Topf Rouge gefallen zu sein. Zwar sah sie noch immer wie ein Kind aus, das sich am Kleiderschrank seiner Mutter bedient hatte – aber nur, wenn diese Mutter eine Edelprostituierte war, deren Vorliebe rosafarbenem Satin und Ausschnitten galt, die sehr viel tiefer reichten, als die Tageszeit es zuließ.
»Sind Sie mit ihr einkaufen gewesen?«, fragte er.
In einem Bordell?
Elma lächelte ihn nervös an. »Oh, es war nur ein kurzer Spaziergang durch die Arkaden im Erdgeschoss. Wir haben eine Menge witziger Geschenke gekauft. Ich muss den Moment versäumt haben, als sie dieses besondere … Na ja, in London würde sie so etwas natürlich nie tragen! Aber es hat ihr gefallen, und ich – Sie wissen doch, wie die Pariser sind. Niemand wird davon Notiz nehmen.«
»Richtig«, sagte er langsam.
Gwen rauschte heran. »Mr Ramsey«, begrüßte sie ihn. Sie trug eine kleine rosafarbene Rose hinter dem Ohr und eine weitere – er musste zweimal hinschauen – an ihrem Dekolleté.
Er hoffte, niemand werde eine Bemerkung darüber machen. An den Ohren schwang ein Paar Brillantohrringe hin und her, die so groß waren, dass es verwunderte, warum sie die Ohrläppchen nicht bis hinunter auf die Schultern zogen. Die Summe, die sie dafür bezahlt hatte, dürfte reichen, um die Bevölkerung eines kleinen Landes ein ganzes Jahr lang mit Lebensmitteln zu versorgen.
»Nun also«, sagte er. »Wollen wir aufbrechen, Ladys? Ich habe im
Maison Dorée
reservieren lassen, und es scheint, dass wir Glück haben: ein Chambre séparée ist heute Abend verfügbar.«
Missbilligend verzog Gwen den Mund. »Wie altmodisch«, sagte sie. »Können wir nicht woanders essen? Ich möchte nicht so abgeschieden in einem muffigen kleinen Raum sitzen.«
Elma warf Alex einen bedeutsamen Blick zu, von dem er nicht wusste, wie er ihn deuten sollte. »Aber, Gwen, Liebes!«, sagte sie. »Das
Maison Dorée
ist das beste Restaurant auf dem Kontinent. Es ist praktisch unmöglich, dort eine Reservierung zu bekommen. Wenn also Mr Ramsey so freundlich gewesen ist …«
»Das ist kein Problem«, sagte er mit einem Schulterzucken. »Ich habe auch Beziehungen zum
Le Lyon d’Or,
wenn du das vorziehst. Ich kenne den Mann, der einige von deren Bestellungen für ihre geheimen Gewürze erledigt.«
Gwen sah an ihnen vorbei, ihr Blick folgte einer Gruppe von Gentlemen mit Zylinderhüten und Capes. »Nein«, sagte sie entschieden. »Ich habe so viele interessant aussehende Ausländer in der Lobby gesehen. Lasst uns am
table d’hôte
essen.«
Und mit diesen Worten ging sie an Alex vorbei auf den Speiseraum zu.
Er sah ihr nach und beobachtete ungläubig ihren lasziven Gang. Wiegte sie sich tatsächlich in den Hüften?
»Also gut«, sagte Elma und griff nach Alex’ Arm. Sie mussten sich beeilen, um Gwen einzuholen. »Aber halt nach Italienern Ausschau, Gwen. Mit denen lässt sich am besten flirten! Ich habe einige kennengelernt, als ich als junges Mädchen auf dem Kontinent war. Sie sind ja so unglaublich gut erzogen.«
Und so kam es, dass Alex zwanzig Minuten später an einem der langen Tische im Speiseraum des
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