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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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aus rotem und gelbem Glas. Sie dachte daran, wie Alex im Café mit dem Finger über die Weinkaraffe gefahren war, legte jetzt die Fingerspitze an die Lampe und zeichnete das Muster nach, das in das Glas geschnitten war. Über die Schulter warf sie Mr Barrington einen flirtenden Blick zu: »Wozu dient dieser Raum? Wissen Sie es?«
    »Gemäß der naturgegebenen Ordnung der Dinge, meinen Sie? Der Verdauung des Elefanten, denke ich.«
    Sie lachte und wandte sich ihm zu. »Und in der nicht naturgegebenen Ordnung? Oder können wir darüber nicht sprechen?« Oh, das war jetzt wirklich
sehr kühn
von mir, dachte sie.
    »Oh, wir können über alles sprechen, worüber Sie sprechen wollen, Mademoiselle. Aber zuerst sagen Sie mir, wen in diesen Dickhäuter zu führen ich die Ehre habe.«
    »Eine Frau, die keine Angst vor Untieren hat.«
Oder vor Wüstlingen
, dachte sie im Stillen.
    Mr Barrington hatte ein fein geschnittenes, eckiges Kinn mit einem Grübchen, das sichtbar wurde, wenn er lachte. »Sind Sie schon so vielen begegnet?«
    »Oh, jeden Tag! Untiere haben eine Vorliebe für junge Damen, müssen Sie wissen.«
    »Aber man kann es Ihnen nicht ankreiden, wenn die junge Dame so bezaubernd ist.« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Ich hoffe, niemand hat in Sie hineingebissen, hier in Paris?«
    »Sie würden gar nicht glauben, wie gut ich meinen Sonnenschirm schwingen kann.«
    »Nun, heute Abend werden Sie wohl kaum einen dabeihaben«, entgegnete er. »So wehrlos, wie Sie derzeit sind, könnte ein Ungeheuer auf Ideen kommen.«
    Ein nervöses Lachen entfloh ihr. »Wie glücklich kann ich mich da doch schätzen, von einem Gentleman begleitet zu werden.«
    »Ein Gentleman.« Er klang ein wenig amüsiert, als er ihre Worte wiederholte. »Sie haben also ein höfliches Benehmen erwartet, als Sie den Bauch dieser Kreatur betreten haben?«
    Sie starrte ihn an. Mit einem tiefen Atemzug sagte sie: »Nein. Das habe ich nicht.«
    Seine Augen wurden schmal. Er würde sie jetzt gleich küssen; Gwen erkannte es daran, dass sein Mund sich anspannte. Nun, dann hatte sie also Erfolg gehabt. Warum war sie mit ihm hierhergegangen, wenn nicht, um geküsst zu werden? Sie war kein braves junges Mädchen mehr, sondern längst schon dabei, ihre Neugier zu befriedigen. Sie konnte so viele Gentlemen küssen, wie sie wollte, vorausgesetzt diese kooperierten.
    Aber wollte sie ihn auch wirklich küssen? Sie konnte es nicht sagen. Es schien eine Sache zu sein, die Mut kostete – im Elefanten des
Moulin Rouge
, des berüchtigsten Etablissements auf dem Kontinent, einen Mann zu küssen. Solche Dinge widerfuhren nur unmoralischen Frauen, Heldinnen in Romanen, der verruchten Cousine von irgendjemandem; ihre Freundinnen würden ihr das niemals glauben. Schon morgen würde sie selbst sich sehr anstrengen müssen, um es zu glauben. Vielleicht würde dieses Erlebnis ihr Selbstverständnis ändern. Sie würde in den Spiegel schauen und den Stempel dieser mutigen Tat erkennen, diese absolute Verruchtheit.
    Seine Hand legte sich um ihr Kinn. Gwen wünschte, seine Finger würden sich nicht so feucht anfühlen. Auch trug er seine Pomade viel zu dick; deren süßlicher Geruch wirkte in diesem kleinen Raum geradezu überwältigend. Ihr Herz machte einen Sprung und schlug schneller, als er ihr Kinn hob. Er hatte einen Leberfleck im Winkel seines Nasenflügels, gleich neben dem Schwung des Nasenlochs. Ein schnell schlagendes Herz war das Merkmal von Leidenschaft, aber alles, was sie empfand, war, dass sie schrecklich, schrecklich ängstlich war.
    Ein dunkles Haar spross aus seinem Leberfleck.
    Gwen presste die Augen zu. Sie musste ja nicht hinschauen. Sie sollte sich vorstellen, er wäre jemand anders. Alex vielleicht.
    Als nach einem Augenblick noch immer nichts passierte, öffnete Gwen die Augen wieder. Zu ihrem Erstaunen war Mr Barrington nicht näher gekommen. Er drehte ihr Gesicht zum Licht und betrachtete sie mit einem Stirnrunzeln. »Kenne ich Sie von irgendwoher?«, fragte er.
    Oh Gott. Er könnte ihr Bild in den Londoner Zeitungen gesehen haben. Es war eine Fotografie veröffentlicht worden, als ihre Verlobung angezeigt worden war – beide Verlobungen. »Nein«, sagte sie.
    »Ja«, sagte er langsam, und sein Griff wurde etwas fester, »ich bin mir sicher, dass ich Sie kenne.«
    »Mr Barrington«, sagte sie. Wie plump sein Griff war! Und er war jetzt auch ein wenig schmerzhaft geworden. »Ich halte es für eher wahrscheinlich, dass wir uns in unterschiedlichen

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