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krampfhafte Bewegung des Beins mit dem Knie direkt gegen einen spitzen Stein stieß. Die Dunkelheit war real – dick wie ein Brei, feucht und gefährlich. Es war das Beste, sich langsam rückwärts zurück zur alten Tagesanlage zu robben, wo er mehrere Karbidlampen versteckt hatte, und sie zu holen.
Aber nun war er schon so weit gekommen. Seit Stunden war er im Berg unterwegs. Zu schade, jetzt aufzugeben. Noch ein kleines Stück weiter, das könnte nichts schaden. Am besten, er sparte sich noch die Helmleuchte. Da es sowieso so eng war, hatte es nicht viel Sinn, sie einzuschalten. Was würde er sehen können, was er nicht bereits mit dem ganzen Körper fühlte? Es war, als würde der Berg sich winden, ihn bei den Kleidern packen und ihn festhalten, so dass er kaum atmen konnte.
Der Helm stieß gegen einen Fels direkt vor ihm. Es war an der Zeit umzukehren. Aber er stemmte noch einmal die Füße gegen die Sohle und machte einen letzten Versuch. Mit aller Kraft, die ihm noch geblieben war, drückte er gegen den Stein. Und plötzlich gab dieser nach. Er fiel hinter ihm her eine Geröllhalde hinunter. Es konnte nicht mehr als ein Meter bis zum Boden sein. Trotzdem traf er heftig mit der Brust auf. Ein stechender Schmerz breitete sich von der einen Seite her aus.
Das Gewölbe auf der anderen Seite des Erdrutsches war höher als die niedrige Strecke, aus der er herausgepurzelt war. Aber es waren immer noch nicht mehr als vielleicht anderthalb Meter zwischen First und Sohle. Jetzt schaltete er die Helmlampe ein. Das gelbe Licht fiel auf Wände, die grob bearbeitet waren, ohne Stempel und andere Absicherungen. Aber am First liefen Kabel entlang. Kleine Metallschilder mit Zahlen und Buchstaben hingen von einem Drahtseil herunter. Er lächelte, er wusste, wo er war.
Der Weg durch fast normale Strecken dauerte nur ein paar Minuten, bis er den Hauptstollen erreicht hatte. Bei Strosse 13 stand die große Abräummaschine, sie war nicht in Betrieb, ihre Trommeln standen still. Es war kein Geräusch in der großen Zeche zu hören, bis auf den Berg selbst. So sollte es nicht sein, dachte er, während er sich mit gebeugten Schultern und gesenktem Kopf vorbeischlich. Er kam an Strosse 12 vorbei, ging in den Querschlag hinein und erreichte einen Bereich, der nicht abgesichert war. Unter seinen Füßen knirschte der Kohlengrus und Kies.
Die First war wieder so niedrig geworden, dass er sich zusammenkrümmen musste. Weit hinten in der Dunkelheit sickerte Wasser die Schachtwand hinunter. Hier sickerte das Methangas in viel zu großen Mengen aus dem Berg heraus. So weit reichte die Frischluftzirkulation nicht. Der kleinste Funke konnte das explosionsgefährliche Gas entzünden. Hier hatte er einen Riss im Gestein gefunden, der direkt in den Berg hinein wies, den größten, den er je gesehen hatte, vielleicht so an die vierzig, fünfzig Zentimeter breit an der dicksten Stelle. Er fragte sich, ob er irgendwohin führte oder ziemlich schnell wieder enger wurde. Aber das wollte er heute nicht untersuchen. Es reichte ihm, dass er endlich eine Verbindung zwischen der alten Tagesanlage und Schacht 7 gefunden hatte.
Die Karte über die Schachtstrecken hatte er im Kopf, über die alten wie die neuen. Er wusste, dass er sich jetzt dem alten Aufenthaltsraum näherte. Plötzlich blieb er stehen. War da nicht Licht in dem Verschlag? Er presste ein Auge gegen einen Spalt in den schmutzigen Holzplanken. Und richtig, da drinnen auf dem Tisch sah er eine Kerze, die fast runtergebrannt war. Auf der Holzbank, die an der Felswand stand, lag ein kleines Kleiderbündel. Bewegte es sich?
Gleichzeitig hörte er Geräusche. Dieses Mal vom Berg. Ein Knistern, ungefähr wie wehende Aluminiumfolie. Gefolgt von rhythmischem Knacken. Er erstarrte, huschte weiter in den Schatten vor. Näherte sich vorsichtig der Strecke auf der anderen Seite des Holzverschlags, die zurück zum Schacht 7 führte.
Die Angst gab ihm Adleraugen. Er sah die schmalen Risse im Fels, die wie ein Spinnennetz verliefen. Der First konnte jeden Moment einstürzen.
KAPITEL 26
TAGEBUCH
Samstag, 24. Februar, 17.00 Uhr
»Jonas? Was willst du nun tun?« Jan Melum saß auf der Kante des Konferenztisches und schaukelte ungeduldig mit einem Fuß. Es war bereits Samstagnachmittag, und sie waren jetzt seit mehr als einem Tag auf Spitzbergen. »Soll ich dir den Stand der Ermittlungen zusammenfassen? Das ist schnell gemacht. Wir sind in einer schlechten Position. Ella Olsen ist immer noch allein
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