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Werkzeug tatsächlich von 1899 stammte – ganz einfach, weil der Name des Besitzers mit Datum und Jahreszahl in den Schaft eingebrannt war. Vielleicht zeigte die Jahreszahl das Datum, an dem der inzwischen schon seit Langem verstorbene Bergarbeiter sein Werkzeug ausgehändigt bekommen hatte? Und konnte das hier tatsächlich ein Auffahren sein, das von dem ersten Norweger angelegt worden war, der Kohle auf Spitzbergen abgebaut hatte? Stammte diese Anlage von dem Probeschacht eines gewissen Søren Zakariassen aus Tromsø, der 1899 den Isfjord hinaufgesegelt war?
Diese rätselhaften Aktivitäten waren nirgends in den Annnalen vermerkt, weder in denen der Kohlekompagnie Isfjord-Spitzbergen noch in denen der staatlichen A/S Adventdalens Kullfelt oder der amerikanischen Arctic Coal Company. Doch nach einem kurzen Aufflackern des kulturhistorischen Interesses an diesen vom Verfall gezeichneten Resten eines uralten Kohlebergwerks fanden die Untersuchungen bald ihr jähes Ende. Ein Historiker aus Trondheim stürzte den Berghang hinunter und verletzte sich schwer. Sie fanden ihn am Grunde des Bolterdalen herumirrend, blutig und voller Blessuren, aber mit einem triumphierenden Lächeln um die Lippen. »Ich habe zugewachsene Eisenbahnschienen gefunden«, rief er der Rettungsmannschaft strahlend entgegen. »Stellt euch vor, Eisenbahnschienen!«
Nach diesem Unfall reichte es dem Regierungsbevollmächtigten, er stellte das gesamte alte Schürfgelände unter Denkmalschutz. Und später, nachdem die detaillierten Bilder analysiert worden waren, die der Historiker gemacht hatte, stellte sich heraus, dass es doch keine Eisenbahnschienen waren, sondern Schwellen, die es wahrscheinlich einfacher hatten machen sollen, Kohle in Schubkarren aus Holz die steile Felswand hinunterzubefördern.
Viele Jahre später wurde ein Querschlag bis zu einer der Strossen von Schacht 7 entdeckt. Die Öffnung wurde geräumt, doch niemand wagte sich weiter hinein in die alten Strecken, die so niedrig und unwegsam waren.
Der Mann kletterte und kraxelte die gefrorene Geröllfläche hinauf. Er war gern in dem alten Schacht, denn dort hatte er seine Ruhe. Er lächelte vor sich hin. Niemand außer ihm hatte die niedrigen Strecken jemals Meter für Meter kartiert, wobei einige von ihnen fast nur Spalten zwischen Sohle und First waren. Im Laufe der Jahre hatte er jedoch dort, wo zunächst kein Durchkommen gewesen war, gekratzt und gehackt und einen Weg freigeräumt. Er hatte selbst Strecken angelegt, die er nach der alten Methode gesichert hatte – mit eingeklemmten Holzstempeln.
Das Auffahren war so alt, dass es nie Elektrizität im Schacht gegeben hatte. Doch er hatte die altmodische Grubenausrüstung, die er gefunden hatte, aufbewahrt und sie an einigen Stellen gesammelt. Deshalb hatte er mehrere Karbidlampen, falls er sie brauchte. Außerdem hatte er einiges von dem alten Werkzeug in der Nähe von Strosse 12 abgelegt, damit ein Hauer aus Schacht 7 es finden sollte. Ein paar Hacken und Spaten hatte er in der Nähe des Querschlags zum neuen Schacht hin deponiert. Die Utensilien waren schnell verschwunden, ein paar Tage später fand er sie wieder aufgestellt in dem alten Aufenthaltsraum.
Er wusste Bescheid über die alternative Verwendung des alten Pausenraums. Einige Male fand er ihn voller Kisten, vom Boden bis zur Decke reichten die Stapel mit Kisten voller Schnaps und Tabak. Doch das war nicht seine Sache. Er bewegte sich, für die meisten unsichtbar, tief drinnen in den Schachtstrecken entlang – beobachtete die Menschen, die kamen und gingen. Achtete darauf, dass sie sich nicht verliefen.
Der Boden in dem alten Holzverschlag war nicht sicher. Die Bretterhütte klammerte sich an die Felswand, ein in sich zusammengefallener Haufen von Holzbrettern hoch oben auf langen Holzpfählen. Er vergewisserte sich vor jedem Schritt, ob es auch hielt. Trotzdem gingen die Füße ein paar Mal direkt durch den Boden. Durch das Loch konnte er die steile Felswand viele Meter unter sich sehen. Aber schließlich hatte er das Mundloch erreicht. Schnell zog er die Holztür hinter sich zu und verschloss den Eingang.
Der alte Tagesschacht lag vor ihm, schwarz wie ein tiefer Brunnen. Die Dunkelheit schien auf Augen und Stirn zu drücken. Er wartete, bis die schmalen Streifen des grauen Tageslichts sichtbar wurden und tastete dann an einem großen Felsblock beim Eingang entlang. Seine Hand stieß auf ein paar Karbidleuchten, und er entzündete eine, indem er den Hahn
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