Suche: Roman
mit dem Jeep fast festgefahren hatten?
Er begann noch einmal von vorn und blätterte langsamer. Nahm sich die Zeit, um Hanseids schnell hingeschriebene Sätze und Halbsätze richtig zu deuten. Es gab nur wenige Informationen, die meisten davon ziemlich ungenau. Lars Ove hatte nichts von dem Querschlag in dem alten Schacht gesagt. Vielleicht war es Kristian gewesen, der ihn erwähnt hatte? Die Information über den Querschlag konnte in dem Fax von der Polizei in Tromsø stehen. Und das hatte Lund Hagen sicher im Konferenzraum.
Knut blieb einen Moment lang in dem halbdunklen Arbeitszimmer sitzen und spürte, wie die Müdigkeit durch seinen Körper zog. Es schien, als hätte sich ein Nebel über die Ermittlungen und die Suche nach Ella Olsen gelegt. Und gleichzeitig hatten sie so verdammt wenig Zeit. Sie irrten in einem Albtraum herum, als wären sie dazu verdammt, zu spät zu kommen, nur weil sie etwas vollkommen Selbstverständliches übersahen. Aber zunächst mussten sie alle unwichtigen Spuren beiseiteschieben. Wie zum Beispiel diese Schmugglergeschichte. Die keinerlei Bedeutung hatte, was Ellas Verschwinden betraf, wie sich herausgestellt hatte. Zwar war es schon möglich, dass Kristian Ellingsen sich an Steinar Olsen hatte rächen wollen, aber er war nicht einmal in Longyearbyen gewesen, als die Autos vor der Einkaufshalle Feuer fingen.
Hanseids Schreibtisch war übersät mit Fallakten und Notizen. Knut hatte eigentlich nur nach dem Notizblock suchen wollen, doch dann fiel sein Blick wie magisch angezogen auf ein kleines Buch, das zwischen den Papieren aufgeschlagen dalag. Ohne wirklich interessiert zu sein, nahm er es in die Hand und betrachtete die Handschrift, die eine Seite um die andere füllte – zuerst fast gleichgültig, dann mit wachsender Unruhe.
Mittwoch, 17. Januar
Der Himmel ist bewölkt, aber es ist so dunkel, dass das gar keinen Unterschied macht. Ich habe mir in der Bibliothek ein Buch über berühmte Morde ausgeliehen. Ich dachte, es wäre ein Krimi. Gestern Abend habe ich gelesen, dass ein Mord mit einem Messer am grausamsten sein soll, weil der Mörder dem Opfer so nahe kommt. Ich würde gern schreiben können. Dann würde ich einen Krimi schreiben. Und ich kenne jemanden, der verdient hat zu sterben. Gern würde ich in die überraschten Augen gucken. In meinem Kopf kreist ein Satz. »Jemand muss sterben«. Ein guter Titel für ein Buch.
Der vorletzte Satz hallte wie ein Echo in Knut wider. Den hatte er doch schon einmal gehört. Aber er hatte keine Ahnung, warum dieses Buch auf Hanseids Schreibtisch lag oder wem es gehörte. Es war offensichtlich ein Tagebuch. Er wollte es eigentlich zurücklegen, musste dann aber doch weiter darin herumblättern.
Freitag, 19. Januar
Über Nacht ist das Wetter aufgeklart, die Sterne sind hervorgekommen. Aber fast kein Mond. Ich bin so allein hier oben auf Spitzbergen. Es ist nichts so geworden, wie ich gedacht hatte. Erik ist ja nie zu Hause. Niemand sieht mich. Ich könnte wirklich jemanden umbringen, wenn ich wollte. Niemand würde auf die Idee kommen, dass ich es gewesen bin. Aber natürlich bin ich kein Mörder, das sind nur Fantasien. Trotzdem möchte ich, dass es ihr schlecht geht, so wie mir. Ich würde nicht gerade in Tränen ausbrechen, wenn sie in der Winterdunkelheit von einem Auto überfahren würde.
Knut schloss die Augen. Warum hatte Hanseid dieses Tagebuch mit keinem Wort einem seiner Kollegen gegenüber erwähnt? Er hatte so einen Verdacht, wer diese Sätze geschrieben haben könnte – und in Anbetracht dessen war Hanseids Schweigen vielleicht nicht weiter verwunderlich. Er blätterte zu den letzten Seiten vor. Sie waren eng beschrieben. Aber nur Bruchstücke waren von Interesse.
Donnerstag, 22. Februar
Die Kälte hat sich in den Wänden festgesetzt, die Luft geklärt und dünn werden lassen. Es ist schwer zu atmen. Gestern Abend habe ich über Arsen gelesen. Wie das Opfer stirbt … Und Thallium oder Zyanid-Krämpfe, die hervorgequollenen Augen. Niemand kann dich überführen, wenn du schlau bist und dich gut vorbereitest. Ich glaube wirklich, ich könnte einen guten Krimi schreiben. Aber es ist wahrscheinlich unmöglich, auf Spitzbergen an Arsen zu kommen.
Freitag, 23. Februar
Immer noch kalt. Aber nicht mehr so dunkel. Ich sehne mich danach, etwas zu tun zu haben, werde noch wahnsinnig. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, brennt es in mir. Ich hätte Lust, etwas zu unternehmen. Sie geht heute Abend zu einem Treffen. Und wenn ihr Auto
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