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Titel: Suche: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Kristensen
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Kohleloren, Container und Schrott. Aber hinten in einer Ecke blitzte etwas auf. Rote Farbe, die Konturen von Rentieren und Buchstaben, die einmal weiß gewesen waren, jetzt aber abgeblättert zu sein schienen, so dass nur noch FRE WEHCT vorn auf der Kippvorrichtung stand.
    »Guck mal, Ella. Hast du das gesehen?« Er war selbst überrascht. Da stand doch tatsächlich eine der alten Loren und war mit Weihnachtsmann und Rentieren dekoriert. »Da siehst du ja wohl, dass das hier die Werkstatt vom Weihnachtsmann ist. Und dass er von hier aus die Päckchen verteilt.«
    »Jaha«, antwortete sie zweifelnd, immer noch verängstigt. »Aber wo sind denn dann die Päckchen?«
    »Na, die sind tief unten im Schacht. Und da wohnt der Bergkönig, weißt du. Er klopft Gold aus den Wänden. Und das kriegt der Weihnachtsmann.« Sie sagte nichts, ihm wurde klar, dass Gold sie nicht sonderlich interessierte. »Und ganz, ganz hinten drinnen, da sitzt die Frau vom Weihnachtsmann und kocht in großen Töpfen Schokolade, aus denen sie dann alles Mögliche macht.«
    »Was macht sie denn?« War da ein kleines Lächeln um ihren Mund zu sehen?
    »Nun ja, Engel und Weihnachtsmänner und Herzen und so.«
    »Aus Schokolade?«
    »Ja, klar. Ganz bestimmt.«
    In der Mitte der Zentrale fanden sie den Kontrollraum mit Licht und Wärme. Ein altes Ledersofa war wohl für alles Mögliche benutzt worden, wie er vermutete. Aber es lag eine neue Wolldecke darauf, in die er Ella wickelte. Sie brauchten ja nur eine Stunde hier zu bleiben. Vater und Tochter aßen die mitgebrachten Brote und tranken den warmen Kakao direkt aus der Thermoskanne. Vor den Fenstern des Büros konnten sie die unheimliche Zentrale nicht mehr erkennen, nur noch graue Vierecke, dort, wo es direkt in die Polarnacht hinausging. Aber drinnen in ihrer Kammer, das war es schön warm. Vater und Tochter lehnten sich aneinander und schliefen ein.
    Er wachte von den Kopfschmerzen auf. Einen Moment lang wusste er nicht, wo er war. Er starrte verwundert in dem Kontrollraum herum. Doch dann fiel ihm alles wieder ein. Mein Gott, wie spät war es? Viertel vor vier. Aber …? War die Armbanduhr denn stehen geblieben? Sie waren doch erst gegen vier Uhr aus dem Haus gegangen. Und dann wurde es ihm klar. Es war Nacht. Sie hatten so lange geschlafen.
    Ella bewegte sich und murmelte etwas. Aber sie wachte nicht auf. Er stopfte die Decke fester um sie herum und ließ sie weiterschlafen. Er brauchte Zeit, um nachzudenken. Meine Güte, was sollte er nur tun? Und was sollte er Tone sagen? Vielleicht hatte sie ja die Polizei alarmiert? Und dazu hatte er einen brennenden Durst, er konnte sich nicht erinnern, jemals so durstig gewesen zu sein. Die Schubladen im Schreibtisch waren leer. Das wacklige Bücherregal war voller Papiere, barg aber sonst nichts. Unter dem Sofa – ebenfalls nichts.
    Er ging hinaus in die Zentrale. Es war so kalt, dass es in der Lunge brannte. Aber er brauchte unbedingt etwas zu trinken. Auf dem Boden entdeckte er kleine Schneehaufen, die durch eine der Öffnungen, durch die früher die Loren hereinschaukelten, hereingeweht waren. Vorsichtig ging er über den schmutzigen, glatten Boden. Nahm sich vor Brettern in Acht, die hervorstachen, vor Eis und Gerümpel. Er scharrte zögernd ein wenig Schnee mit dem Fuß zur Seite, hockte sich dann aber doch hin und versuchte etwas von dem Schnee zu essen. Er brannte wie Feuer im Mund. Er erinnerte sich daran, irgendwo gelesen zu haben, dass es gefährlich war, gefrorenen Schnee zu essen.
    Zwei Autoscheinwerfer drangen durch eine Luke und fuhren über die Wand hinter ihm. Er ging vorsichtig auf die Öffnung zu und schaute hinaus. Es mussten mindestens zwanzig Meter bis zum Boden sein. Dafür, dass es mitten in der Nacht war, waren erstaunlich viele Menschen unterwegs. Sie fuhren mit ihren Autos unten auf der Straße an der Kirche vorbei. Leute kamen und gingen im Verwaltungsgebäude. Und er brauchte gar nicht lange zu überlegen, warum das so war. Sie waren auf der Suche nach Ella.

KAPITEL 16
DER STURM
    Samstag, 27. Januar, 15.30 Uhr
    Der Sturm traf die Schiffe wie eine Eisenfaust. In dem einen Moment zerrten heftige Windböen an der Tür zum Steuerhaus und ließen sie im Türrahmen klappern. Im nächsten war das Unwetter schon über ihnen. »Mein Gott«, brachte Oddemann auf der »Edgeøya« noch heraus, bevor eine stahlgraue Wand aus Schneeregen sie mittschiffs aus Nordwesten traf. Er brauchte den Matrosen keine Befehle zu erteilen. Sie waren

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