Suche: Roman
nicht nüchtern, an eine Vernehmung war also gar nicht zu denken. Sie werden uns den Bericht rüberfaxen, wenn sie mit ihm geredet haben.«
Lund Hagen machte eine Pause. Offensichtlich hatte er noch mehr auf dem Herzen, etwas, was ihm selbst unangenehm war. »Otto hat angerufen, er ist noch auf dem Parkplatz. Offenbar hat er das Werkzeug gefunden, mit dem ein Loch in den Benzintank gehauen wurde. Außerhalb des abgesperrten Gebiets, in einem der Müllcontainer unterhalb des Cafés Schwarzer Mann.« Er hielt einen Moment inne, um dem, was er noch sagen wollte, genügend Gewicht zu geben. »Es war ein Eispickel, so einer von der kurzen Sorte. Mit schwarzem Schaft. Und mit eingebrannter Codenummer und dem Logo des Regierungsbevollmächtigten auf Spitzbergen.«
Die Wohnung in Blåmysa war zu einer Art Wohngemeinschaft umgekrempelt worden. Tone Olsens Kolleginnen aus dem Kindergarten wechselten sich bei der Betreuung ab. Über Nacht stand plötzlich Orangensaft einer unbekannten Marke im Kühlschrank, eine Packung grüner Tee lag auf der Anrichte, und fremde Hausschuhe standen auf dem Flur. Auf dem Sofa lagen eine Bettdecke und ein Kopfkissen, bezogen mit blauer Bettwäsche mit Eisbären drauf. Niemand hatte das Herz, in Ellas Bett zu schlafen.
Am Freitagabend saßen sie im Wohnzimmer und versuchten den Mut nicht zu verlieren. Es war fast unerträglich, allein mit der Mutter des verschwundenen Kindes zu sein. Doch die Regierungsbevollmächtigte hatte ein paar Mal vorbeigeschaut, um sich über den Stand der Suche zu informieren, und das hatte die Stimmung ein wenig aufgelockert. Zumindest passierte etwas. Anne Lise Isaksen bekam viel Lob für ihr Interesse und ihren persönlichen Einsatz. So sollte der Regierungsbevollmächtigte sein, dachten die Leute. Gut, dass eine Frau in dieser Position ist, trotz allem, was vorher geredet wurde.
Niemand informierte Tone Olsen über den Unfall ihres Mannes, weder am Freitagabend noch in der Nacht. Sie schlief im Erdgeschoss, als die Regierungsbevollmächtigte gegen elf Uhr anrief. Am nächsten Morgen war Steinar Olsen bereits ins Distriktskrankenhaus in Tromsø gebracht worden. Sie nahmen allen Mut zusammen und erzählten es ihr. Es schien, als gäbe es um Tone herum keinen Sauerstoff mehr in der Luft. Ihre Lippen wurden blass. Kleine feuchte Flecken klebten das Haar an die Stirn. Ihr Gesicht nahm die Farbe kalten Haferbreis an.
»Der arme Steinar«, war alles, was sie sagte.
Sie fiel nicht in Ohnmacht. Weinte nicht. Nach ein paar Minuten bat sie mit ruhiger Stimme, ob nicht jemand ihre Mutter anrufen und sie bitten könnte, nach Spitzbergen zu kommen. »Ich schaffe das nicht mehr. Aber ich muss hierbleiben, bis Ella gefunden worden ist.« Auch wenn sie es nicht aussprach, so bekamen sie den Eindruck, dass sie nicht mehr erwartete, ihre Tochter lebend zu finden. Sie bereitete sich auf eine Beerdigung vor.
Doch als das Telefonat aus dem Büro der Regierungsbevollmächtigen um kurz nach ein Uhr mit der Information kam, dass Steinar Olsen den Brandverletzungen erlegen war, sackte sie langsam vom Stuhl und lag zusammengekrümmt auf dem Boden, die Stirn auf den Knien.
Der Arzt wurde gerufen, er schüttelte nur den Kopf. »Ich kann an den Schicksalsschlägen nichts ändern«, sagte er. »Es gibt keine Medizin dagegen. Das Beste, was ihr tun könnt, ist bei ihr zu bleiben. Und wenn es sich nicht bessert, dann müssen wir sie wohl ins Krankenhaus bringen.«
Die beiden Polizisten gingen zurück in den Vernehmungsraum, und dieses Mal war da etwas in ihren Gesichtern, das Lars Ove Angst machte.
»Ich habe Hunger«, schimpfte er. »Jetzt sitze ich hier schon mehrere Stunden und habe nur eine Tasse Kaffee gekriegt. Ich habe nichts getan und will raus hier. Ich werde mit dem Personalbüro der Store Norske reden. So könnt ihr mich nicht behandeln.«
Doch die künstliche Wut beeindruckte die Beamten nicht. »Erzähl uns alles, was du über Steinar Olsen weißt«, sagte der Polizeibeamte vom Festland. »Was ihr unternommen habt, wo er gewesen ist. Gab es einen Streit zwischen ihm und einem der Hubschrauberpiloten vom Lufttransport?« Er schaute auf den Block vor sich auf dem Tisch. »Tor Bergerud?«
Lars Ove verstand gar nichts mehr. Er starrt Tom Andreassen fragend an. »Steinar? Nein, das ist der falsche Mann. Es ist doch dieser Schlawiner Erik Hanseid, der …«
»Danke, das genügt«, sagte Andreassen mit roten Wangen. »Wir sind nur an Steinar Olsen interessiert. Wo hat er sich
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