Sudelbücher: Ausgesucht feine Texte mit Biss (German Edition)
hiervon ohne tiefes Denken zu überzeugen. Man kann Kantische Philosophie in gewissen Jahren, glaube ich, ebenso wenig lernen als das Seiltanzen. [J 1143]
Ob es Wirkung der Gnade oder der Mondsucht war, ist nicht entschieden. [J 1146]
Vom empirischen und intelligibeln Charakter. Es wäre doch ein Wesen möglich außer Gott, das sich selbst determinierte, ohne Dependenz von Kausalität. [J 1148]
Ehmals ärgerte ich mich mit einem Gefühl von Kraft, jetzt mit einem von passiver Ängstlichkeit. [J 1151]
Die Kultur der Seelen, wozu auch das Branntweintrinken mit gehört, hat viele Spuren ausgelöscht, dereinst zu finden, was der Mensch ursprünglich war und sein sollte. [J 1155]
Was der Soldat für ein Tier ist, sieht man deutlich aus dem gegenwärtigen Krieg. Er lässt sich gebrauchen, Freiheit festzusetzen, Freiheit zu unterdrücken, Könige zu stürzen und auf dem Thron zu befestigen. Wider Frankreich, für Frankreich und wider Polen! [J 1157]
Die Franzosen versprachen in den adoptierten Ländern Bruderliebe, sie schränkten sich aber am Ende bloß auf Schwesterliebe ein. [J 1167]
Deutscher Fleiß, mit diesem Titel pflegen oft Köpfe, die nicht zum Denken aufgelegt sind, ihre trockene geistlähmende Bemühungen zu belegen. Tag und Nacht lesen und sammeln hat etwas sehr Schmeichelhaftes für den Sammler, dem es an wahrer Geistesstärke fehlen muss, denn sonst schickte er sich nicht zu solchen Arbeiten, die immer etwas von Neger-Dienst an sich haben. Es ist auch nicht ohne Verdienst in jedem Sinn, wo dieses Wort auch Einnahme bedeutet, aber man sollte doch bedenken, dass ein solcher Mann immer unendlich tief unter dem kleinsten Erfinder steht. In England werden die Literatoren wenig geachtet. In Deutschland sieht man den Mann schon als etwas an, der weiß, was in jeder Sache geschrieben worden ist, ja wenn man ihn um sein Urteil in einer Sache fragt, so nimmt man wohl vorlieb, wenn er einem eine Literär-Geschichte der Sache statt der Antwort gibt. [J 1170]
Eine Wirkung völlig zu hindern, dazu gehört eine Kraft, die der Ursache von jener gleich ist, aber ihr eine andere Richtung zu geben, bedarf es öfters nur einer Kleinigkeit. [J 1171]
In der Stadt ist immer eine gewisse glückliche Stumpfheit des Geistes endemisch gewesen. [J 1173]
Was doch eigentlich den Armen den Himmel so angenehm macht, ist der Gedanke an die dortige größere Gleichheit der Stände. [J 1177]
Unter die Missverständnisse oder die falschen Darstellungen bei der Französischen Revolution gehört auch die, dass man glaubt, die Nation werde von einigen Bösewichtern geleitet. Sollten nicht vielmehr diese Bösewichter sich die Stimmung der Nation zunutz machen? [J 1178]
Er redete so zu den Leidenschaften der Menschen, als wenn sie zu einem Sturm kommandiert wären. [J 1179]
Es gibt kaum eine unangenehmere Lage, als die Geschenke von nichtswürdigen Dingen zu erhalten, auf [die] aber der Geber einen außerordentlichen Wert setzt und wirklich dafür zwar keine Gegengeschenke, aber doch Ergebenheit erwartet, es ist dieses der Fall zwischen mir und D. Er überhäuft mich mit sogenannten Leckerbissen von seinem Tisch, die ich für gar keine Leckerbissen halte und die ich oft, wenn er nicht gegenwärtig wäre, ungekostet weggäbe. Und doch muss ich hören, dass er an andern Orten sagt, er schicke mir zuweilen etwas zu essen. Der ehrliche Mann meint es herzlich gut. [J 1182]
Mein Körper ist derjenige Teil der Welt, den meine Gedanken verändern können. Sogar eingebildete Krankheiten können wirkliche werden. In der übrigen Welt können meine Hypothesen die Ordnung der Dinge nicht stören. [J 1183]
Am vernünftigsten ist es, es bei Streitigkeiten so zu machen wie der berühmte Fourcroy, der alle Gegner der französischen Chemie in 2 Klassen bringt, 1 ) solche, die die Sache nicht verstehen, und 2) die, die von Parteigeist verleitet werden. [J 1189]
A. Sie sind sehr alt geworden. B. Ja, das ist gewöhnlich der Fall, wenn man lange lebt. [J 1190]
Für den Verlust von Personen, die uns lieb waren, gibt es keine Linderung als die Zeit und sorgfältig und mit Vernunft gewählte Zerstreuungen, wobei uns unser Herz keine Vorwürfe machen kann. [J 1196]
Die Dogmatik, die fruchtbare und gütige Mutter der Polemik. [J 1200]
Ordnung führet zu allen Tugenden! Aber was führet zur Ordnung? [J 1204]
Ist denn etwa die Lage so selten, in der einem Philosophie das Philosophieren versagt? [J 1208]
Und predigte mit milder
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