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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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wurde mir klar, was ich seit Stunden intuitiv gespürt hatte.
    »Ich war nicht deine erste große Liebe, Annie. Ich war dein Beta-Test.«

    Mir dröhnten noch die Ohren von dieser Offenbarung, als ich plötzlich das Heulen von Polizeisirenen wahrnahm, die sich der Marina näherten.
    »Sublime Botschaften auf dem Computer, den du mir zusammen mit dem Schreibtisch und dem Füllfederhalter geschenkt hast.«
    Ich trat einen Schritt auf sie zu. »Du hast etwas auf dem Rechner installiert. Du hast mich programmiert, so wie du Erin programmiert hast, das Café in die Luft zu jagen. Wie die Ratten im Labor. Du hast meine Gefühle
manipuliert, bis unsere Liebe überlebensgroß in Neonfarben erstrahlte. Ich war süchtig nach dir.«
    Sie schloss die Augen. Als sie antwortete, war ihre Stimme sehr leise. »Warum, glaubst du, konntest du meine Fehler nicht sehen? Es war eine primitive, simple Methode. Sublime Werbung, Bilder von mir, positive Botschaften.«
    »Botschaften und Bilder? Darauf beruhte unsere Beziehung?«
    »Ich beobachtete, wann du dich am meisten zu mir hingezogen fühltest, und merkte mir, was ich bei diesen Gelegenheiten trug. Dann fotografierte ich mich selbst in dieser Kleidung und lud die Bilder auf deinen Laptop. Ich posierte nackt. Ich fotografierte uns beide im Bett. Ich erstellte Bilder, auf denen ich T-Shirts der Denver Broncos trug und deine Lieblingsgerichte aß, und versah sie mit kurzen Botschaften wie ›Ich liebe Turtle‹ und ›Annie = Glück‹. Ich installierte eine Audiodatei mit meinem Namen, die ich bei sehr niedrigen und sehr hohen Frequenzen spielte. Hundert verschiedene Experimente. Jedes Mal, wenn du am Computer warst, wurdest du mit Bildern überschwemmt: beim Surfen im Internet, beim E-Mail-Schreiben, beim Einkaufen, beim Scrabble-Spiel mit deiner Großmutter.«
    Es klang nach einer sehr realen Möglichkeit, aber irgendwo spürte ich einen falschen Ton. Intellektuell konnte ich mir diesen unausweichlichen Angriff auf meine innersten Gefühle durchaus vorstellen, aber mein Herz wollte nicht hinnehmen, was mein Kopf erkannt zu haben glaubte. Es war ein erbittertes Ringen gegen meine eigene Ungläubigkeit.
    »Blödsinn! So einfach ist das nicht. Unsere Gefühle
gab es wirklich, das kannst du nicht leugnen. Ich habe dich auch noch geliebt, nachdem dein Höllencomputer weg war. Das lasse ich mir nicht nehmen.«
    Annie griff nach meiner Hand, aber ich stieß sie zurück. »Ich habe dir immer zugesehen, wenn du am Computer gesessen hast, und habe mich gefragt, ob du mich oder meine digitale Verkörperung mehr liebtest.«
    »Du hast mich also manipuliert? Ich war für dich nur ein Experiment.«
    Schweigen.
    »Hast du vor fünf Tagen etwas auf meinem Rechner installiert?«
    »Nein.«
    »Nein? Du hast mich nicht foltern lassen? Du hast mir nicht die Cops auf den Hals gehetzt?«
    »Das war Dave.« Ihre Stimme wurde sehr leise. »Dave hat dich gehasst. Er war eifersüchtig. Nach der Sache im Café … Er …«
    »Das ergibt doch keinen Sinn. Warum hast du mich gerettet, wenn ich dir völlig egal war? Warum?«
    Annie ließ sich auf die Couch fallen. Ich sprang sie geradezu an. Sie wich zurück.
    »Weil du mich auch geliebt hast«, sagte ich. »Was wir füreinander empfunden haben, kann man nicht erfinden und nicht digitalisieren, Annie. Das lässt sich nicht vortäuschen.«
    Sie zögerte. »Ich muss zugeben, dass meine Gefühle für dich ganz und gar einzigartig waren.«
    »Zugeben musst du das?«
    »Bei unserer ersten Begegnung konnte ich nicht glauben, was du für mich fühltest. Und was ich für dich
empfand. Was die ganze Sache mit mir anstellte. Ich wollte mich auf so etwas nicht einlassen.« Die reinste Hobbypsychologin.
    »Es war echt. Es war die große Liebe! Du warst meine große Liebe. Ich habe mich auf den ersten Blick in dich verliebt. Ich liebte dein Lachen, dein Lächeln, deine Leidenschaft.«
    »Deswegen warst du der ideale Kandidat.«
    »Weil ich dir verfallen war?«
    »Weil du ein Romantiker bist. Weil du lieber Schriftsteller sein willst als Arzt. Weil du alberne Gedichte schreibst, die sich reimen. Weil du an große Gefühle glaubst.«
    »Spar dir die rationalen Erklärungen!« Mein Schrei hallte über das Boot.
    Wasser spritzte auf, als die Schnellboote heranrasten. Die Polizei.

    Annie sprang auf. Mit geweiteten Augen stürzte sie auf das Vorderdeck. Ich folgte ihr in die pechschwarze Nacht hinaus. Von allen Seiten näherten sich die Scheinwerfer der Polizeiboote. Ich hörte

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