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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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Aravelo gehen, wenn Ihnen das lieber ist.«
    Darauf wollte ich es nicht beruhen lassen. Zu viele Fragen brannten mir auf der Zunge.
    »Sergeant Weller, können Sie mir nicht mehr über die Sache im Café sagen? Wer steckt dahinter? Wieso bin ich gewarnt worden? War das ein zufälliger Gewaltakt oder ein gezielter Anschlag, in den ich irgendwie hineingeraten bin?«

    Er musterte mich eine Weile. Dann zuckte er die Achseln. »Ich glaube, Sie haben das gestern sehr treffend formuliert. Es ist eine ganz merkwürdige Sache.«
    Er wandte sich zum Gehen, warf aber noch einen Blick über die Schulter. »Rufen Sie mich an, wenn Sie mit mir reden wollen. Jederzeit.«

    Ich brauchte dringend ein Bier. Oder auch zwei. Also fuhr ich durch die ganze Stadt zu meiner Stammkneipe. Samantha und Bullseye saßen auf ihren üblichen Plätzen und sahen sich das Spiel der Giants an. Ich nahm mir kaum Zeit, sie zu begrüßen, bevor ich mit meiner Geschichte herausplatzte.
    »Dein Qi ist völlig aus dem Gleichgewicht.« Samantha nahm meine Hand und rieb energisch die Innenseite. »Ich kann dich massieren, das hilft aber nur teilweise. Du musst unbedingt in die Praxis kommen. Du brauchst Akupunktur, und dein Energiefluss ist auch nicht in Ordnung.«
    »Mein Qi braucht eine Pizza und Schlaf«, erwiderte ich.
    Aber sie hatte Recht. Trotz meiner ironischen Bemerkungen hatte ich Samanthas Hexenkunst in den vergangenen Jahren schätzen gelernt. Ich ließ mir für den nächsten Tag einen Termin geben.

    Draußen vor der Bar studierte ich den Zettel, auf den Erin Coultran die Telefonnummer mit der fehlenden Ziffer geschrieben hatte. Vielleicht war es ein Versehen gewesen. Ich probierte verschiedene Kombinationen aus, wobei ich am Schluss immer verschiedene Zahlen anhängte. Drei der Nummern existierten nicht. Bei
meinem vierten Versuch nahm eine alte Dame mit undeutlicher Aussprache ab, die sich offenbar unbedingt unterhalten wollte.

    Als ich nach Hause kam, war ich völlig erschöpft, aber der Laptop lockte, und ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. Ich schickte meinem Anwalt eine E-Mail, in der ich ihn von der Wiederaufnahme des Aravelo-Verfahrens informierte und um seinen Rat bat.
    Dann nahm ich mir die aktuellen Nachrichten vor. Das meiste wusste ich schon aus dem Chronicle und von Danny Weller. Beim Anblick des völlig zerstörten Cafés spürte ich, wie mir übel wurde.
    Den Berichten zufolge gehörte das Lokal der Idelwild Corporation, einer Holding, zu der sich mehrere große Unternehmen zusammengeschlossen hatten, um vom Starbucks-Phänomen zu profitieren. Mit ihrer Mischung aus zwischenmenschlicher und Hightech-Kommunikation sind Cafés wie Lagerfeuer mit drahtlosem Internet und Gebäck.
    Stunde um Stunde ging ich einem Link nach dem anderen nach. Mein Körper verlangte nach Schlaf, aber ich konnte mich nicht überwinden, ins Bett zu gehen. Zu viele Fragen waren offen, und die Erinnerung an Annie ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Schließlich übermannte mich die Müdigkeit. Als ich am Morgen erwachte, war meine Entscheidung gefallen. Es war an der Zeit, den Toten einen Besuch abzustatten.

10
    Der Zeitung hatte ich entnommen, dass der Trauergottesdienst für Simon Anderson am Grab in Colma stattfinden sollte. Die Stadt der Toten. Mehr als eine Million Menschen liegen auf den Friedhöfen an den grünen Hängen südlich von San Francisco begraben. In der Bay Area ist das Gedränge nach dem Tod noch größer als vorher.
    Dem Nachruf zufolge war der Verstorbene ein auf Technologiewerte spezialisierter Investmentbanker gewesen, der mit seinen Anlagen so gut verdient hatte, dass er sich seinen Traum, Schriftsteller zu werden, erfüllen wollte. Seine einzige Veröffentlichung war ein im Selbstverlag erschienenes Kinderbuch geblieben.
    Allmählich wurde es voll. Neben mir zog eine Frau eine Mineralwasserflasche und eine Tüte gemischte Nüsse hervor. Wie sie ihrer Freundin anvertraute, hatte sie ihren eigenen Proviant dabei, für den Fall, dass beim Leichenschmaus keine Bioprodukte gereicht wurden.
    Über dem Grab war ein Zeltdach errichtet worden, unter dem eine Frau mit einem Mädchen und einem Jungen saß. Vermutlich Andersons Ehefrau. Der autistische Junge hüpfte unbeeindruckt von dem feierlichen
Anlass aufgeregt durch die Gegend. Um uns herum erhoben sich Grabsteine in allen Größen und Preisklassen. Selbst im Tod waren keineswegs alle gleich. Das Mausoleum der Familie Silver hätte ohne Umbau als Apartment durchgehen können. Im

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