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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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blockiert. An einer Ecke hatte sich ein Dutzend junger Leute in den Zwanzigern versammelt, die wie übrig gebliebene Hippies aussahen. Einige schlugen Tamburine, andere schwenkten Transparente. Hier wurde demonstriert. Für etwas.
Oder gegen etwas. Wenn man lange genug in San Francisco lebt, hört man auf, die Plakate zu lesen. Ich wusste nur, dass sie zwischen uns und unserem Ziel standen.
    Ich presste die Handfläche auf die Hupe. Schwerer Fehler. Jetzt hatte ich sie gegen mich. Die Demonstranten wirkten, als hätten sie sich voll gedröhnt die Nachrichten angesehen. Dabei mussten sie sich so geärgert haben, dass sie sich Transparente bastelten und ihre Pizza stehen ließen, um zu protestieren. Nun fehlte ihnen nur noch ein gemeinsamer Feind. Bis ich des Weges kam.
    Ein Paar, das soeben die Straße überquerte, blieb vor meinem Fenster stehen. Die Frau trug einen wehenden weißen Rock im Stil der Sechzigerjahre und eine modische Windjacke von North Face.
    »Mit dieser Todesmaschine vergiften Sie unsere Umwelt«, sagte sie.
    Ich fuhr das Fenster herunter. »Wissen Sie, was das Blöde an diesen schweren Geländewagen ist?«, fragte ich. »Man merkt es kaum, wenn man jemandem über den Fuß fährt.«
    Dann riss ich das Lenkrad herum und bretterte über den Gehweg, wobei ich das Heck eines Saturn und die Demonstranten nur um Haaresbreite verfehlte.
    »Was soll das?«, schrie Erin.

    Mein neues Weltbild kannte weder Stoppschilder noch Geschwindigkeitsbeschränkungen.
    »Vorsicht!«
    Ein Teenager auf einem Tretroller erschien in meinem Gesichtsfeld und beanspruchte völlig zu Recht den Zebrastreifen für sich.

    Ich trat auf die Bremse. Erin und ich wurden nach vorn geschleudert.
    »Mr Idle«, sagte Erin, als sie sich wieder aufgerichtet hatte. »Sehen Sie doch.«
    Andys Haus lag um die Ecke. Mir fiel nichts Ungewöhnliches auf, und das sagte ich auch.
    »Eben«, meinte sie.
    Sie hatte Recht. Es war gar nichts zu sehen. Keine Feuerwehr, kein Krankenwagen, kein Rauch. Kein Chaos.

    Wir schwiegen einen Augenblick.
    »Was jetzt?«, fragte ich.
    Sie antwortete nicht sofort. Wahrscheinlich, weil es keine Antwort gab.
    Oder weil die Frage zu viele Interpretationsmöglichkeiten zuließ. Wir waren soeben in einem fast drei Tonnen schweren Schiff durch San Francisco gerast. Warum? Weil ich überreagierte? Waren wir tatsächlich in Gefahr?
    »Ihre Nerven sind ein wenig angespannt«, stellte Erin fest.
    Vielleicht war es doch besser, wenn wir die Sache der Polizei überließen.
    Tatsächlich stand hinter uns ein Streifenwagen, den ich wohl im Unterbewusstsein wahrgenommen hatte.
    Die Hüter des Gesetzes würden nicht begeistert sein.

16
    »Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte.«
    »Officer«, sagte Erin, »wir haben eben wegen eines Feuers angerufen. Sie haben doch bestimmt von dem Notruf gehört.«
    Ich holte meinen Führerschein hervor, wobei ich fieberhaft überlegte, wo die Papiere sein mochten. Weiß die Polizei denn nicht, dass Fahrzeugpapiere grundsätzlich nicht zu finden sind, wenn man sie braucht?
    »Sie haben einen Brand gemeldet?«, fragte die Beamtin, auf deren Namensschild Sampson stand. »Bei der Polizei?«
    »Beim allgemeinen Notruf«, erwiderte Erin.
    Ich reichte der Polizistin meinen Führerschein durch das offene Fenster. Sie studierte persönliche Angaben und Foto, als könnte sie ihnen meine intimsten Geheimnisse entnehmen.
    »Würden Sie bitte aussteigen, Mr Idle«, sagte sie dann.
    Ich überlegte, was ich mir hatte zuschulden kommen lassen, hatte aber nur eine vage Vorstellung. Officer Sampson half mir auf die Sprünge.
    »Sie hätten fast einen Skateboarder überfahren«, teilte sie mir mit.

    Ein Punkt für sie.
    »Bei uns sind zwei Anrufe wegen eines Toyota-Geländewagens eingegangen, der mit überhöhter Geschwindigkeit durch Cole Valley rast«, stellte sie fest.
    Es klang, als wäre schon allein die Wahl meines Autos ein Minuspunkt. Da würde es mir schwerfallen, mich herauszureden.
    »Gesehen habe ich selbst zwar nichts«, fuhr sie fort, »aber Ihre Bremsen und Reifen konnte man bis nach Castro quietschen hören.«
    Das klang nach einem Anflug von Humor. Trotz ihrer ernsten Miene schöpfte ich Hoffnung. Vielleicht kam ich ungeschoren davon, weil sie den Vorfall nicht mit eigenen Augen beobachtet hatte. Ich beschloss, alles auf eine Karte zu setzen.
    »Es tut mir furchtbar leid, Officer. Ich habe ein paar ganz üble Tage hinter mir«, sagte ich Mitleid heischend.
    Sie wirkte unbeeindruckt. »Mal

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