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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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dachte, ich würde sie erwidern. Mir war gar nicht der Gedanke an eine Beziehung gekommen. Irgendwann machte er mir eine Liebeserklärung. Er hat mir die Sache nie verziehen.«

    Zwei Tage später stand ich ein paar Blocks von meiner Wohnung entfernt vor Sam’s Deli und biss gerade in mein Truthahn-Sandwich zum Mitnehmen, als ein schwarzer BMW vorfuhr. Ich erkannte den Wagen, der Annie bei unserem ersten Rendezvous abgeholt hatte. Die Tür ging auf.
    »Annie?«
    »Steigen Sie ein, Mr Idle«, erwiderte eine Männerstimme. »Ich bringe Sie nach Hause.«
    Besonders beunruhigt war ich nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mich jemand entführen wollte. Erstens stand ich am helllichten Tag an einer belebten Straßenecke mitten in San Francisco und zweitens besaßen weder ich noch meine Familie irgendetwas von Wert. Ich warf einen Blick in den Wagen.
    »Glenn Kindle«, sagte der Unbekannte. »Annies Vater.«
    Er saß im Fond, der durch eine dunkle Glasscheibe vom Chauffeur getrennt war. Auf seinem Schoß lag ein Magazin – der SkyMall-Katalog.
    »Hier finden Sie den Weg zum Glück.« Er hielt den Katalog in die Höhe. »Sie denken wahrscheinlich, die Artikel sind Schrott. Das vibrierende Putting Green zum Beispiel, dessen Frequenzen angeblich die natürlichen Selbstheilkräfte aktivieren. Schwachsinn! Aber Sie müssen das große Ganze sehen. SkyMall ist der kapitalistische Traum in Reinkultur. Die Menschen kaufen gern Dinge, von denen sie gar nicht wussten, dass es sie gibt. Die Verkäufer von diesem Zeug sind keine Betrüger, sie schenken uns Hoffnung. Der Verbraucher lässt sich sehenden Auges auf diese Illusion ein. So wird das Geschäft für beide Seiten zum emotionalen Erfolg.«

    »Wollen Sie meine Philosophiekenntnisse erweitern oder mir bei meinen Weihnachtseinkäufen helfen?« Ich lächelte.
    »Ich hatte gehofft, wir würden uns bei der Party vom letzten Wochenende kennenlernen.« Er ließ das Magazin sinken. »Da ich gerade in Ihrer Nähe war, wollte ich das wiedergutmachen.«
    Was wollte er wiedergutmachen? Und woher wusste er, wo ich wohnte?
    Ich sah nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Also stieg ich ein und schüttelte ihm die Hand. Dann stellte ich fest, dass das halb gegessene Sandwich in meiner Hand die Serviette durchfeuchtete.
    »Für alle wird es nicht reichen«, sagte ich.
    Er lachte und drückte einen Knopf an seiner Tür. »Fahren Sie los«, wies er den Chauffeur an.
    »Tut mir leid, dass wir nicht viel Zeit haben. Solche Treffen sind in der Theorie immer angenehmer als in Wirklichkeit.«
    »Sie können ja mit raufkommen. Ich habe ein Sixpack Anchor Steam im Kühlschrank. Obwohl … kann sein, dass nur noch fünf da sind.« Das meinte ich ernst. Zumindest halbwegs.
    »Hören Sie, ich will offen mit Ihnen reden. Muss ich mir Sorgen machen?«
    Während ich noch darüber nachdachte, blieb das Auto stehen. Ich sah durch die getönte Fensterscheibe. Wir standen bereits vor meinem Haus.
    »Ich frage mich nur, was Sie mit Annie vorhaben.«
    »Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, wovon Sie reden«, erwiderte ich. »Gar nichts. Ich gehöre keiner okkulten Sekte an, falls Sie das meinen. Wissen Sie,
falls Sie wirklich mein Schwiegervater werden sollten, lachen wir bestimmt eines Tages über dieses Gespräch.«
    Sein Lächeln wirkte gezwungen.
    »Entschuldigen Sie. Die Erfahrung hat mich Vorsicht gelehrt. Vielleicht will ich sie zu sehr behüten.«
    »Keine Ursache.«
    »Sie sind bis über beide Ohren verschuldet und haben sich im Krankenhaus mit Ihrem Vorgesetzten angelegt. Jetzt brechen Sie Ihr Studium ab und wollen Journalist werden. Klingt nicht sehr vertrauenerweckend.«
    »Nicht jeder braucht das Bruttosozialprodukt eines kleineren afrikanischen Landes für sein Auto«, parierte ich.
    Er lachte.
    »Annie hat Recht. Sie sind wirklich witzig. Tut mir leid. Haken wir die Sache als Missverständnis ab. Beim nächsten Mal fangen wir am besten wieder bei null an.«
    In diesem Augenblick öffnete mir der Fahrer die Tür. Kindles letzte Bemerkung hatte nicht nach einer aufrichtigen Entschuldigung geklungen. Ich zögerte.
    »Glauben Sie mir, ich weiß, was für ein fabelhafter Mensch Annie ist.«
    Er nickte mit ausdrucksloser Miene, und der Wagen rollte davon.
    Ich rief sofort Annie an und erzählte ihr von dem Vorfall. Am liebsten wäre ich umgehend nach Palo Alto gefahren, um das Gespräch zu Ende zu bringen.
    »Bitte nicht«, sagte sie. »Wenn du mit ihm redest, wird alles nur noch

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