Süchtig
ein ferngesteuerter Hai. Ihr Vater erlag immer wieder den Versuchungen des Kapitalismus.
Ich brach in Gelächter aus. »Hoffentlich findet er nicht heraus, dass es im Fernsehen einen Shopping-Kanal gibt. Das könnte unabsehbare Folgen haben.«
»Deswegen hat meine Mutter ihn auch verlassen. Für ihn steht die Liebe auf derselben Stufe wie sein Safarihut mit solarbetriebener Kühlung – eine erstrebenswerte Illusion, für die er Opfer bringt, sofern sich der Aufwand im Rahmen hält.«
Sie drehte mir den Rücken zu und sah mich im Spiegel an. Ich wartete, dass sie weitersprach, aber sie ließ sich auch durch mein sanftes Drängen nicht dazu bewegen.
Da ich den Eindruck hatte, dass sie allein sein wollte, ging ich ins Schlafzimmer, setzte mich aufs Bett und wartete. Als Annie schließlich aus dem Bad kam, war sie splitternackt. Wir liebten uns mit einer Leidenschaft, die ich bisher nicht gekannt hatte. Zum ersten Mal hörte ich von Annie obszöne Ausdrücke. Sie gab mir detaillierte Anweisungen, die mich noch mehr in Fahrt brachten. Doch irgendwann schlug die Stimmung um. Annie musste kichern, und dann prusteten wir beide los.
Für den nächsten Tag war eine wichtige Besprechung angesetzt. Annie sollte eine Reihe von Investmentbankern überreden, mit dem Unternehmen an die Börse zu gehen, was Kindle Investment Partners enormen Profit einbringen würde. Der Termin fand in einem Konferenzraum in unserem Hotel statt. Annie war kaum zur Tür hinaus, als ich merkte, dass sie die Mappe mit ihren Unterlagen hatte liegen lassen. Der Raum war leicht zu finden. Durch die Glaswand sah ich Annie Hof halten. Fünf Männer in Anzügen lauschten gebannt. Einer von ihnen war Dave Elliott, der Anwalt von Annies Vater. Ich klopfte ans Fenster, und Annie winkte mich herein. Ich reichte ihr die Mappe.
»Darf ich vorstellen: Nathaniel Idle«, sagte sie, was die Anwesenden mit einem gelangweilten Nicken quittierten. Sie sah kurz in die Mappe. Ihr Ton blieb professionell. »Danke, scheint alles da zu sein.«
Ich versuchte, Blickkontakt mit ihr aufzunehmen, aber sie hatte sich schon wieder der Gruppe zugewandt. Mir blieb nur der ungeordnete Rückzug.
Zwei Monate nach diesem Vorfall erlebte ich aus nächster Nähe mit, wie spannungsgeladen die Beziehung zwischen Annie und ihrem Vater war.
Der Zwischenfall ereignete sich in seinem Haus in Atherton. Annies Vater und seine dritte Frau – eine Blondine in den Dreißigern, die trotz aller Klischees über die Gespielinnen reicher alter Männer ein kluger und freundlicher Mensch war – waren unterwegs. Annie und ich brieten in der Küche Fisch in Kräuterkruste, als wir hörten, wie sich das Garagentor öffnete.
Glenn Kindle war bester Stimmung und schleppte uns sofort in die Garage, um uns den Grund dafür zu zeigen. Statt über das Wochenende zu verreisen, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte, war er zum Mercedes-Händler gefahren und hatte ein Cabrio erstanden. Die Schlüssel drückte er Annie in die Hand.
»NotesMail geht nächste Woche an die Börse, und das haben wir unserer neuen Juniorpartnerin zu verdanken.« Er grinste.
Annie schien es die Sprache verschlagen zu haben. Sie hielt die Schlüssel in der offenen Hand und sagte kein Wort, während ihr Vater mit der Hand über den blauen Metallic-Lack des Prachtstücks strich und mir zuzwinkerte. Dann wandte er sich ab und ging in Richtung Haus.
»Ich sitze vorn!«, verkündete ich.
Als ich aufsah, war Annie ihrem Vater nachgegangen. Er drehte sich um und lächelte sie an.
»Ted wird der Schlag treffen«, stellte er beiläufig fest.
»Was hast du getan?«, wollte sie wissen.
»Ihn abserviert«, erwiderte er nüchtern. »Das hat er verdient. Nachdem wir die ganze Arbeit getan haben, nennt mich der Kerl ein rücksichtsloses Arschloch. Das ist mir noch nie passiert.«
Annie lächelte zynisch. »Du bist wirklich eiskalt.«
»Große Fische fressen kleine Fische«, meinte er, hob sein Limoglas, als wollte er ihr zuprosten, und ging ins Haus.
Annie drehte sich zu mir um und warf mir in hohem Bogen die Schlüssel zu, die ich nur mit einem Hechtsprung zur Seite erwischte.
»Das ist ja verrückt«, sagte ich, als ich mich wieder gefasst hatte.
»Er will mir den Mund stopfen.«
»Wegen der Sache mit Ted?«
»Juniorpartnerin ist ein hübsches Wort für Lakaiin.« Ihre Unterlippe bebte. »Den Deal verdankt er mir. Ich habe NotesMail davon überzeugt, dass sie mit uns als führendem Investor am besten bedient sind. Die
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