Süchtig
ich ihr eigentlich meine Hilfe anbieten müssen, aber die Couch sah zu verlockend aus.
Ich ließ mich in die Polster sinken. Noch hatte ich etwas zu erledigen. Als ich Sarah anrief, war mir aufgefallen, dass ich zwei Nachrichten hatte. Eine stammte von meinem Anwalt, Eric Rugger. Ein guter Mann, enorm clever und ein großer Fan von Bloody Marys. Allerdings nicht bei der Arbeit, soweit ich das beurteilen konnte. Außerdem war sein Honorar erschwinglich, und wir waren per Du.
»Ich habe deine E-Mail bekommen und deine Nachricht abgehört«, lautete seine Botschaft. »Ich wusste gar nicht, dass das Verfahren gegen Aravelo wieder aufgerollt wird. Ich kümmere mich darum. Aber keine Panik, so etwas ist nicht ungewöhnlich. Ruf mich an, wenn du Fragen hast. Ansonsten melde ich mich, sobald ich mehr weiß.«
Die zweite Nachricht stammte von Mike Thompson. Er verlor keine überflüssigen Worte. »Hier Mike. Habe mir den Laptop angesehen. Melde dich.« Ende.
Als ich ihn in der Leitung hatte, begann er mit einem Computerwitz, den ich nicht verstand. In der Hoffnung, dass er schnell zum Thema kommen würde, sagte ich gar nichts.
»Ich habe das Tagebuch geöffnet. Ein Kinderspiel. Ich war mir nicht ganz sicher, was ich sonst noch tun sollte, deswegen habe ich mir den Rechner kurz angesehen. Betriebssystem und Anwendungen. Scheint alles zu funktionieren.«
Ich legte die Füße auf den Holztisch. »Danke, Mike.«
»Das soll nicht heißen, dass mir nichts Ungewöhnliches aufgefallen wäre.«
Ich setzte mich auf. »Kannst du das noch mal sagen – ohne doppelte Verneinung?«
Seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Ein Verschlüsselungssystem.«
»Ich dachte, du wärst an das Tagebuch rangekommen.«
»Nicht das. Weißt du, was GNet ist?«
Wusste ich nicht.
»Ein Programm, das ich noch nie gesehen habe. Hing am Betriebssystem dran.«
»Wozu ist das Zeug gut?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Mike. »Das Ding ist nicht aktiv.«
»Aber es ist dir aufgefallen?«
»Eigentlich nicht.«
»Aber du hast doch gerade gesagt …«
Mike schnitt mir das Wort ab. »Das Programm selbst ist mir völlig egal. Interessant ist nur, dass es von dem raffiniertesten Verschlüsselungssystem geschützt wird, das mir je untergekommen ist.«
22
»Klartext, bitte«, sagte ich.
»Was?« Mike war verwirrt.
»Erzähl mir im Klartext, was mit dem Computer los ist, und zwar langsam. Stell dir vor, du redest mit dem Dorftrottel.«
Jetzt saß ich kerzengerade. Meine Neugier war geweckt. Erin, der dieser Stimmungsumschwung nicht entgangen war, setzte sich neben mich.
»Auf deinem Computer ist eine Software installiert …«
»Der gehört mir nicht.«
Mike ignorierte meinen Einwurf. »Wie auch immer, auf diesem Rechner ist ein Programm installiert, das ich noch nie gesehen habe. Im Betriebssystem wird es als GNet bezeichnet.«
»Der Buchstabe G und dann ›Net‹?«
»Ja. Vielleicht hat es nichts zu bedeuten. Kann ich so nicht sagen.«
Erin hielt ihr Ohr so dicht wie möglich an den Hörer. Leider hatte das Telefon keine Freisprecheinrichtung.
»Wenn es nichts zu bedeuten hat, wieso erwähnst du …«
Er unterbrach mich erneut. Wenn es um Technik
ging, war er nicht zu stoppen. »Das Programm selbst ist mir ja auch nicht aufgefallen. Ich rede von der Verschlüsselung. Ein höchst komplexes System mit mehreren Schichten und Chiffrierschlüsseln, was völlig unnötig scheint. Das ist ungefähr so, als würde man sein Tagebuch in einem Tresorgewölbe einschließen und bewaffnete Wachen davor postieren.«
Ich bemühte mich, diese Information zu verarbeiten. Schließlich griff ich zu einem alten Reporterkniff. Ich wiederholte mit meinen eigenen Worten, was er mir gesagt hatte. Damit schlug ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen klärte ich für mich selbst den Sachverhalt, zum anderen war er gezwungen, sein Tempo zu drosseln.
»Du meinst, auf dem Rechner ist ein merkwürdiges Programm installiert?«
»Korrekt.«
»Und dieses Programm wird durch eine andere, hoch komplexe Software geschützt, die definitiv nicht Standard ist und sich nur mit einem Superrechner knacken ließe?«
»Du hast es erfasst«, bestätigte Mike.
»Kannst du mir noch etwas dazu sagen?«
Mike hatte eine bessere Idee. »Am besten zeige ich es dir.«
Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen zum Kaffee in Palo Alto.
Die Aussicht, sich näher mit der Sache zu befassen, schien ihm zu gefallen, aber er stellte keinerlei Fragen. Das überraschte
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