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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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Licht, und auf einem niedrigen Tisch an der
Tür standen ein Räucherstäbchenhalter und ein CD-Player.
    Sie betätigte die Play-Taste. Ätherische Flötenklänge und ein fernes Windgeräusch schwebten durch die Luft. Ich erinnerte mich vage, dass Bullseye mich bis zur Liege getragen hatte.
    Ich hob protestierend die Handflächen.
    »Ich muss weg, Sam«, sagte ich. »Mir bleibt keine Zeit.«
    Mein Instinkt sagte mir, dass ich schnell handeln musste, aber ich wusste nicht mehr, warum. Der Nebel in meinem Gehirn hatte alles verschluckt. Es hatte etwas mit dem Laptop zu tun und dem Café. Wurden Erin und ich nicht wegen mehrfachen Mordes gesucht, obwohl wir völlig unschuldig waren? Korrupte Polizisten waren in die Sache verwickelt, und ich wurde den nagenden Verdacht nicht los, dass Annie nicht durch einen Unfall ums Leben gekommen war. Die Welle der Gewalt um mich herum ließ nur einen Schluss zu: Sie war Opfer eines Komplotts geworden, das auch mich zur Strecke bringen sollte. Leider hatte ich keine Ahnung, was gespielt wurde, und mein Kopf schmerzte viel zu sehr, um darüber nachzudenken.
    Sie legte mir die Hand in den Nacken und ließ sie dort über eine Minute lang ruhen. Die Spannung löste sich, und meine Willenskraft schmolz dahin.
    »Fangen wir an«, sagte sie.
    Meine nackte Brust unter den blütenweißen Laken fühlte sich kühl an. Allmählich drang die Musik in mein Bewusstsein. Ich erinnerte mich an all die früheren Sitzungen, bei denen mir Samanthas Hexerei geholfen hatte. Die ersten Nadelstiche spürte ich immer. Sie
weckten meine Skepsis – bis ich mich mehr und mehr auf die Musik konzentrierte. Die Töne trugen mich davon. Ich schwamm auf ihnen, stellte sie mir als Lebewesen, als Tiere vor, als bunte Elefanten, Schimpansen und fliegende Fische.
    Am Ende musste ich jedes Mal lachen, und wenn der Stress noch so groß war. Samantha nannte das den Beweis dafür, dass ich losgelassen hatte, dass sich meine Eingeweide vom Gift gereinigt hatten. Danach fühlten sich Augen, Nase, Hals, Luft- und Speiseröhre an wie befreit.
    Kann mich die Hexe retten?
    Ausschließen kann ich es nicht.
    Samantha setzte die ersten Nadeln. Ich fühlte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. Es war schmerzhafter, als ich in Erinnerung hatte – weiße Glut, die sich in meine straff gespannte äußere Hülle bohrte.
    Ich musste an die Käfige denken, an die gefangenen Ratten, die auf ihrem gewaltigen Scheiterhaufen verbrannten. Samantha stach mir eine Nadel in den Ellbogen. Fast wäre ich von der Liege gesprungen.
    Wieder legte sie mir die Hand in den Nacken. Ihre schmalen, rauen Finger fanden den Druckpunkt. Allmählich wurde ich ruhiger. Sie ließ die Hand dort liegen und setzte eine Nadel in meiner Kniebeuge.
    Die Musik floss dahin wie Sirup. Meine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln, als ich mich ganz der Hexe überließ.
    »Ich lasse dich jetzt eine Weile schmoren.«
    Ich hörte Samanthas Worte kaum. Das sollte hei ßen, dass sie alle Nadeln gesetzt hatte. Die Stifte waren durch dünne Kabel mit einem Stromgerät verbunden,
das einen Teil der Nadeln in Schwingung versetzte und andere erwärmte. Verrückt, aber ich vertraute der Hexe. Ich hörte, wie sie den Raum verließ.
    Als sie ging, glitt ich in einen von harmonischen Klängen erfüllten Tunnel. Töne schwebten an mir vorüber, und am Horizont sah ich seltsame Lebewesen. Die Zeit verstrich. Sekunden. Minuten. Ein Jahrtausend.
    Schließlich öffnete sich die Tür. Offenbar war ich gargekocht. Ich lächelte träge, ohne die Augen zu öffnen. Samantha würde mich wecken, wenn es an der Zeit war. Ich spürte eine Hand im Nacken. Ihr Griff war fester als sonst.
    »Wo ist der Laptop?«, fragte eine Männerstimme.
    Samantha?
    Ich versuchte, den Kopf zu heben. Erst langsam, weil ich immer noch benommen war, dann ruckartig. Weit kam ich nicht. Die Hand in meinem Nacken hielt mich auf der Liege fest.
    Ein unerträglicher Schmerz schoss durch meinen Körper.
    Jemand hatte mir eine Akupunkturnadel in den Rücken gejagt.
    »Die Zeit wird knapp«, sagte der Mann geradezu sanft. »Wo ist der Laptop?«
    Andys Laptop, dachte ich. Hatte ich den nicht Bullseye gegeben?
    Er stieß die Nadel tiefer. Ich schrie.

39
    Plötzlich ließ der Schmerz nach. Der Mann zog mir die Nadel aus dem Rücken. Erbarmen. Die grausamste Form von Schmerz.
    Jemand drückte meinen Nacken auf die Liege, während eine andere Person meine Füße festhielt.
    »Wo ist Goldsteins Laptop?«, fragte der Mann,

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