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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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Goldstein, vielleicht auch Simon Anderson. Wir waren sozusagen unter Strom gesetzt worden. Unser Gehirn war dem nicht gewachsen. Ich erinnerte mich, wie ich die halbe Nacht im Internet gesurft hatte, weil ich mich nicht vom Laptop hatte losreißen können. In letzter Zeit war ich übererregbar gewesen und hatte mich immer mehr von meiner Umwelt zurückgezogen. Albträume, Erschöpfung, Zittern, Aggressivität, Reizbarkeit – meine Symptome glichen denen von Andy Goldstein. Annie hatte mir zur Behandlung Ritalin empfohlen, eigentlich ein Stimulans, das bei Aufmerksamkeitsdefizit eingesetzt wird. Vielleicht kamen da die Laborratten ins Spiel. Möglicherweise war bei
dem Experiment untersucht worden, ob die Nagetiere auf Nahrung verzichteten, wenn ihnen alternativ dazu eine bestimmte elektrische Stimulation des Gehirns angeboten wurde.
    »Ich verstehe.«
    Wollte er die Karten auf den Tisch legen?
    Elliott behauptete, nichts von einem gefährlichen Programm zu wissen. Dafür hielt er mir einen Vortrag über das Suchtpotenzial von Computern. Der Eingang einer E-Mail oder eines Telefonanrufs löse einen kleinen Adrenalinstoß aus. Die Erregung werde durch Ton- und Bildsignale ausgelöst, aber auch durch die Aussicht auf neue Information. Bleibe diese aus, entstehe ein Vakuum. Der Mensch langweile sich. Deswegen fühlten viele Menschen bei Autofahrten den Drang, zu telefonieren: Sie hätten sich so an diese Gehirnaktivität gewöhnt, dass sie sich ohne Stimulation langweilten.
    Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. »Und dieses Phänomen wollen Sie und Ihre Leute perfektionieren?«
    »Also wirklich, Idle.« Elliott lachte. »Ich habe keinen Schimmer, wovon Sie reden.«
    »Aber Sie haben doch gerade …«
    »Ich dachte, wir reden vom modernen Leben im Allgemeinen. Wir sind doch so konditioniert, dass wir unsere Geräte ständig benutzen wollen. Nicht umsonst reden manche Leute vom ›Crackberry‹.«
    Er spielte mit mir, warf mir einen Brocken hin, an dem ich zu kauen hatte, nur um dann so zu tun, als handle es sich um eine vollkommen harmlose Bemerkung.

    Ich zog einen Puderzucker-Donut aus der Jackentasche.
    »Idle, ich will ehrlich sein. Sie hatten schon immer einen Hang zur Dramatik. Das war schon während Ihrer Beziehung mit Annie so. Sie haben die Sache romantisch verklärt. Annie war bei weitem nicht der Mensch, für den Sie sie hielten. Und jetzt kommen Sie mit diesem Computer-Schwachsinn daher. Wahrscheinlich behaupten Sie gleich, irgendwer hätte eine gefährliche Software auf Ihrem Rechner installiert oder würde Sie über Ihr Handy orten und Ihre Anrufe abhören. Was denken Sie eigentlich, was ein Computer alles kann?«
    Er setzte sich an seinen Schreibtisch und fing an, auf der Tastatur des Laptops herumzuhämmern. Dann bat er mich um eine Demonstration, weil er sich angeblich nicht vorstellen konnte, wie das Ganze funktionieren sollte.
    Ja, wie eigentlich? Das fragte ich mich selbst, während ich ihm beim Tippen zusah. Der Bildschirm konnte ja wohl kaum direkt mit dem Gehirn kommunizieren. Oder doch? Er stand auf.
    »Zeigen Sie mir, was Sie meinen«, sagte er.
    Vorsichtig kam ich näher. Er hatte den Golfschläger weggelegt und sah nicht so aus, als wollte er mich attackieren.
    Ich warf einen Blick auf den Bildschirm. Elliott hatte einen Artikel im Chronicle aufgerufen. »Aktuelle Entwicklungen«, prangte in fetten Lettern über der Meldung Pärchen aus San Francisco im Zusammenhang mit Anschlag auf Café gesucht.
    »Was soll das? Wieso ausgerechnet diese Story?«

    »Wieso nicht? Was dagegen?«
    Ich setzte mich an den Rechner, klickte auf den Link und fing an zu lesen. Plötzlich spürte ich ein Summen. Ein schmerzhaftes Pulsieren in meinen Fingerspitzen, als hätte ich einen elektrischen Schlag bekommen. Meine Ohren dröhnten. Die Kopfschmerzen waren wieder da. Mein Magen – ich schüttelte den Kopf und rang nach Luft. Dann drehte ich mich zur Seite und erbrach mich in einem Schwall.
    »Bitte nicht auf meine Schuhe«, sagte Elliott angewidert. »Das sind echte Allen Edmonds.«
    Ich hatte noch nie Migräne gehabt, aber ich kannte das Krankheitsbild. Ein Schraubstock schien sich um mein Gehirn zu schließen. Die kleinste Bewegung, jeder Lichtstrahl verursachten Schmerzen.
    Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich rang nach Atem – ein Urinstinkt. Wie war das möglich? Konnte ein Computer so etwas anrichten? Ich schlug den Laptop zu, umklammerte ihn mit den Händen und versuchte, den Kopf zu heben. Nach

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