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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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angetan hat, was er uns angetan hat. Mich betrifft die Sache ebenso wie dich.«
    »Das verstehe ich besser, als du ahnst, Nat. Ich weiß, wie du denkst und was ich und unsere Beziehung dir bedeuten. Du willst mich schützen. Keine Sorge, er wird mir nichts tun.«
    Annie schlang ihre Arme um meine Taille.
    »Nimm deine Hände weg«, sagte ich zu meiner eigenen Überraschung.
    »Warte hier auf mich.«
    Ihre Lippen berührten meine Wange – wie bei unserem
ersten Rendezvous. An dem Abend, an dem ich Annie in dem mexikanischen Restaurant meine Lebensgeschichte erzählt hatte, hatte sie sich vorgebeugt und mich geküsst. »Ich mag dich wirklich«, hatte sie damals gesagt, und ich war dahingeschmolzen.
    Sie löste ihren Griff und öffnete die Tür. Ich wollte ihr folgen. Dann sah ich Erin dort stehen.
    Gefesselt und mit verbundenen Augen.

    Ich starrte sie stumm an. »Gott sei Dank«, sagte ich schließlich.
    »Nat?«
    Sie drehte den Kopf in meine Richtung – genau wie Annie. Offenbar hatte keine der beiden solche Emotionen von mir erwartet. Cynthia, die hinter Erin stand, wirkte völlig ungerührt.
    »Ich komme mit. Ich lasse dich nicht wieder gehen.«
    Annie sah Cynthia an und schüttelte den Kopf. »Zu gefährlich. Es geht um deine eigene Sicherheit«, sagte Annie. Sie deutete mit dem Kopf auf Erin. »Um ihre Sicherheit. Und um meine. Ich weiß nicht, wem ich trauen kann.«
    Cynthia nickte. Sie hielt eine Waffe in der Hand, die nicht direkt auf Erin gerichtet war, aber auch nicht von ihr weg. Während Annie an den beiden vorbei in Richtung Van ging, schob Cynthia Erin in die Wohnung.
    »Ich gehe mit Annie«, erklärte ich.
    Der blonde Engel sah mich aus zusammengekniffenen Augen an.
    »Sie werden mich ja wohl kaum erschießen wollen«, sagte ich zu ihr.

    »Bitte, Nathaniel, lass es sein«, drängte Annie.
    Ich trat noch einen Schritt vor. Nichts und niemand würde mich aufhalten. Diese Macht besaß niemand – bis auf Erin.
    »Nathaniel, bitte lass mich nicht allein«, sagte sie.

52
    Ich konnte es nicht fassen, dass ich zusah, wie Annie Kindle zum zweiten Mal aus meinem Leben verschwand. Aber genau das tat ich. Nun, eigentlich hörte ich eher zu. Ich schloss die Augen und lauschte: wie sich die Haustür schloss, wie Annie eine Autotür öffnete. Der Motor drehte ein paar Mal leer und sprang dann an. Die Geräusche waren geradezu greifbar. Annies schmale Finger, die das Lenkrad umklammerten und den Wagen nach Las Vegas steuerten. Nur dass es nicht ihre Finger waren. Als ich die Augen aufschlug, sah ich, dass Erin meine Hand genommen hatte und sanft die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger rieb.
    Trotz ihrer Augenbinde hatte sie zu mir gefunden. Als ich sie davon befreite, blinzelte sie ins Licht. Dann sah sie sich im Raum um. Sie wirkte müde und verwahrlost. Zudem hatte sie ein blaues Auge.
    »Alles in Ordnung mit dir? Mir geht es gut«, sagte ich ohne Überzeugung.
    Sie hörte auf, mir die Hand zu reiben, und drückte sie stattdessen. »Das war wohl Annie.«

    Erins Beine waren mit einer kräftigen Nylonschnur gefesselt. Der Strick hatte ihre Levi’s aufgescheuert. Vermutlich
hatte sie versucht, sich zu befreien. Sie konnte sich mit schlurfenden Schritten fortbewegen, aber das war auch alles.
    Ihr linkes Auge war im Lidbereich blaurot angelaufen, aber nicht zugeschwollen. Das andere Auge war gerötet vor Müdigkeit. Vielleicht hatte sie auch geweint. Sie tastete vorsichtig nach dem Auge, das den Schlag abbekommen hatte, und zuckte zusammen, als sie das aufgequollene Fleisch berührte.
    Cynthia musterte uns schweigend, bevor sie den offenen Bereich zwischen Eingang, Bad und Schlafzimmern absuchte. Dann inspizierte sie Esszimmer und Küche. Schließlich wandte sie sich uns beiden, der Sitzgruppe und dem Kamin zu.
    »Hinsetzen«, befahl sie.
    Sie stieß Erin den Lauf ihrer Pistole in den Rücken. Als Erin nicht sofort reagierte, verstärkte sie den Druck. Ich wusste, dass Cynthia gewalttätig sein konnte. Aber galt das auch für mich? Immerhin hatte sie getötet, um mich zu schützen. Falls doch, hatte ich keine Chance, sie zu überwältigen. Einen von uns beiden würde sie mit ihrer Waffe auf jeden Fall erwischen. Ich spürte einen Aggressionsschub, der durch meine aus dem Ruder gelaufenen Neurochemikalien beflügelt wurde. Flucht oder Kampf? Cynthia sah nicht so aus, als würde sie vernünftig mit sich reden lassen. Vielleicht konnte ich sie becircen.
    »Wie wär’s mit einer Runde Blackjack? In ein paar Stunden

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