Südafrika. Einmal Kap und zurück (Erlebnis südliches Afrika: Reisen in der Republik Südafrika, in Namibia, Zimbabwe, Botswana und Swaziland) (German Edition)
erreichen wir um halb 11 vormittags Knysna. Wo der Schienenstrang auf das Lagunenufer trifft, finden wir einen Parkplatz. Ich habe mir in den Kopf gesetzt, die verlorene Brille wiederzufinden. Unter einem Stacheldraht hindurch komme ich auf die Geleise, überquere die erste Brücke, und da sollte die Stelle sein, wo mir vorgestern die Brille aus dem Zugfenster gefallen ist. Keine Spur davon. Oder war es weiter in der Mitte der Lagune? Da ich chronischer Optimist bin, marschiere ich weiter, mit meinem Filius im Schlepptau, der nur äußerst langsam vorwärts kommt, da er die großen Schwellenabstände mit Sprüngen überbrücken muss.
Am Schienenstrang entlang spazieren Farbige, die Plastikeimerchen mit sich tragen. Was sie bloß damit anfangen wollen? Glassplitter glitzern im Sonnenlicht. Meine Brille? Nein, sie sind zu gebogen, vermutlich von Colaflaschen.
Ein Farbiger in ziemlich zerschlissener Kleidung und einem verwaschenen Filzhut zum Schutz gegen die herunterbrennende Sonne stapft barfuss im schlammigen Wasser. Der Wasserspiegel an dieser Stelle ist nur etwa knöchelhoch. Da bückt er sich und puhlt irgend etwas aus dem Schlamm. Seine Beute steckt er in sein gelbes Eimerchen. Dann stapft er wieder im Matsch herum. Später treffe ich mehrere Einheimische, die ihre Beute, winzige Krebschen, heimwärts tragen.
„Papa, schau da hinten, Rauchwolken!“ ruft mir mein Sohn zu. Zwischen den Bäumen, am Ende der Lagune auf halber Höhe des Berges, bewegt sich eine weiße Dampfwolke. Ich blicke auf die Uhr. Das könnte die Lok sein. Wir machen uns auf die Socken. Auf die Brücke passt nur einer: Das fauchende Ungetüm oder wir!
Einen Angler, der gemütlich auf der Brücke sitzend seine Angelschnur über das Geländer in das seichte Wasser hält, mache ich auf die drohend näher kommende Lok aufmerksam. Er erschrickt, rafft seine Leine zusammen, packt seinen Kübel und flieht mit uns zum Ende der Brücke, wo ein Damm die Schienen trägt.
Da kommt sie auch schon. Gigantisch, wie das stählerne Ungetüm auf uns zustürzt. Wir halten uns an den äußersten Rand des schmalen Dammes, dennoch können wir die Macht der entfesselten Urgewalten spüren. Heftige Erschütterungen lassen den Damm erbeben, als der Koloss von Lok mit den Wagen im Schlepp an uns vorbeistiebt. Der Geruch von Wasserdampf und Kohle erfüllt die Luft. Wir sind momentan ganz im Nebel eingehüllt. Als er sich verzieht, fährt der George-Knysna Express schon auf dem Ufer der Lagune entlang.
J. Im Knysna- Wald
„Garten Eden“ steht auf einem winzigen Schild an einer Parkbucht ein paar Kilometer außerhalb Knysnas. Beinahe wären wir daran vorbeigehuscht. Sehenswürdigkeiten sind hier anscheinend nicht besonders gut und rechtzeitig vorher ausgeschildert. Schön schattig ist es im Inneren eines aus Naturschutzgründen bewahrten Teils dieses (vor allem durch Bücher) berühmten Teils des Knysna- Waldes. Ein informativer „Waldlehrpfad“, wie man in Mitteleuropa sagen würde, führt durch das Dickicht. Vereinzelt stehen Informationstafeln vor den Urwaldriesen, die sich majestätisch in schwindelnde Höhe zum Blätterdach emporrecken. Mächtige Bäume sind auseinander gebrochen, um langsam zu zerfallen: Nahrung für andere Urwaldbewohner.
Der „Knysna- Forest“ ist der umfangreichste natürliche Wald in Südafrika. Große und sehr alte Bäume, aber auch exotische Spezies sind hier zu finden: Stinkwood, Gelbholz, Schwarzholz, Eisenholz, daneben Farne, wunderlich verschlungene Kletterpflanzen und Wildblumen. Der Wald ist, abgesehen von dem Teil, durch den der Waldlehrpfad geht, sehr dicht, und an einigen Stellen undurchdringbar. Ein richtiger Dschungel also. An Tieren leben hier nur ein paar Antilopen und die spärlichen Überreste von Herden des Knysna- Elefanten, die einst das Gebiet bevölkerten - die letzten der Busch- oder Savannenelefanten.
Plettenberg Bay, dreißig Kilometer weiter, wird als das Zentrum der „Garden Route“ bezeichnet. Wir wollen hier nicht baden, es ist zuviel los. Außerdem herrscht am Strand starker Wind. Auf einer Klippe außerhalb des Ortes verzehren wir unter einem strahlend blauen Himmel unser Lunchpaket, während Möven um uns herum ihre Runden drehen. Wir haben ein wundervolles Panorama vor uns: Die weit geschwungene „Bahia Formosa“, von den Portugiesen 1576 „wunderschöne Bucht“ getauft. 1778 ging der Erwerb von Grundbesitz noch recht einfach vor sich: Der Gouverneur Joachim
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