Süden und das grüne Haar des Todes
gedämpft und gepresst klang.
»Sie wissen nicht, wo sich Frau Kron aufhält«, sagte ich zu Maria Seberg.
Es dauerte eine Weile, bis sie antwortete. Inzwischen stand Emmi Bregenz wieder hinter ihrem Mann. Und ich fand es komisch und berührend zugleich, wie er das Gesicht verzog, als sie erst eine Hand auf seine Schulter legte und dann die andere, um sich wie erschöpft oder auf ihre Art zärtlich auf ihn zu stützen .
»Sie wollt verreisen«, sagte Maria Seberg. »Wir haben uns nicht gesorgt, mein Mann und ich. Sie ist bestimmt irgendwo am Meer.«
Ich sah Emmi Bregenz an. Und ich sah ihre Finger, die sich in die Jacke ihres Mannes krallten. Und ihre Augen waren groß und furchtsam.
»Natürlich müssen wir auch mit Ihrem Mann sprechen.«
Ich wartete. »Würde es Ihnen etwas ausmachen mich anzuschauen, Frau Seberg?«
»Ja«, sagte sie .
»Warum?«, sagte ich .
»Wenn Sie mich anschauen, hab ich Angst, ich sag was, was ich nicht sagen will.« Sie hob den Kopf. Und in ihrem Blick lagen nicht weniger Schatten als in den dunklen Augen von Emmi Bregenz.
»Was Ruth Kron betrifft, müssen Sie uns alles erzählen«, sagte ich. An dieser Stelle wünschte ich, Sonja würde sich einschalten. Und sie tat es.
»Wir haben die Reisetasche von Frau Kron gefunden«, sagte sie. »In der Nähe der Isar. Wir befürchten, dass ihr etwas zugestoßen ist. Wir glauben nicht, dass sie die Stadt verlassen hat, um zu verreisen.«
Wir wussten nichts Bestimmtes, aber Sonja hatte Recht: Nichts deutete darauf hin.
»Sie hat gesagt, sie will verreisen.« Wie fasziniert blickte die alte Frau auf die Wasserflaschen.
»Möchten Sie etwas trinken?«, sagte Sonja.
»Ja, gern«, sagte Maria Seberg.
In der Hoffnung, Sonja würde die Befragung fortsetzen, beugte ich mich über den Tisch und füllte drei Gläser, von denen ich eines zu Maria Seberg schob.
»Das Folgende ist nur wichtig für unsere Akten«, sagte Sonja. »Es ist kein Vorwurf, und Sie brauchen nicht weiter darüber nachzudenken.«
Maria drehte leicht den Kopf und sah Sonja, die schräg neben ihr saß, mit unsicherem Blick an.
»Sie haben, als mein Kollege Tabor Süden und ich bei Ihnen waren, nicht die Wahrheit gesagt. Obwohl wir Sie nach Ruth Kron, das heißt nach Babette Halmar, gefragt haben, behaupteten Sie, Sie wüssten nichts von ihr. Ja?«
Unmerklich bewegte sie den Kopf.
Weil es nicht anders ging, sagte ich zu Erika Haberl:
»Die Zeugin nickt. Sie gibt zu, die Unwahrheit gesagt zu haben.«
Ohne die mindeste Reaktion zu verraten, schrieb die Sekretärin mit flitzenden Fingern weiter .
»Darüber hinaus …«, sagte Sonja, und ihr Ton nahm eine deutlich nüchterne, anklagende Färbung an, »haben Sie uns am Sonntag, den fünfundzwanzigsten März, belogen, als wir bei Ihnen waren, um die Vermissung Ihres Mannes Gabriel für beendet zu erklären.«
Wenn sie polizeilich klingen wollte, nahm Sonja Feyerabend keine Rücksicht auf Alter, Geschlecht und die innere Notlage ihres Gegenübers.
Mit verblüffender Entschlossenheit rückte Maria Seberg mit dem Stuhl vom Tisch ab. »Nein«, sagte sie und hielt Sonjas Blick stand. »Nein, das ist nicht wahr. Ich hab das nicht gewusst, er hat mir das nicht gesagt gehabt. Erst am nächsten Tag. Hätt ich Sie dann anrufen sollen?«
»Natürlich«, sagte ich.
»Ja, Frau Seberg«, sagte Sonja und griff nach einem Glas .
Ob sie Durst hatte, bezweifelte ich. Vermutlich wollte sie nur eine vorübergehende Gleichheit herstellen und den Zeugen suggerieren, die Situation sei entspannt und weniger offiziell, eine Gelegenheit zum unverfänglichen Gedankenaustausch.
»Es war ein geheimes Treffen«, sagte Maria Seberg und zuckte mit dem Kopf. »Niemand darf was erfahren. Sie hat es so gewollt …«
»Was denn bloß gewollt?«, rief Emmi Bregenz dazwischen.
Sie klopfte mit einer Hand auf die Schulter ihres Mannes.
»Jetzt red doch endlich! Denkst du, ich glaub dir das, was du hier ausbreitest? Du sprichst von meiner Schwester, du hast die gar nicht richtig gekannt, nur flüchtig. Du bist viel jünger als wir, du hast gar nicht zu uns gehört.«
»Ich bin siebzig«, sagte Maria Seberg ruhig. »Und du bist einundsiebzig und Ruth ist dreiundsiebzig …«
»Und der Schmarrn-Beni ist zweiundsiebzig«, sagte Max Bregenz unvermittelt.
»Sei bitte still«, sagte seine Frau und strich ihm über den Schädel. »Na und, Maria? Dann bist du eben so alt, wie du bist. Und meine Schwester? Die hat doch nicht fünfzig Jahre anonym in Ismaning
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