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Süden und das heimliche Leben

Süden und das heimliche Leben

Titel: Süden und das heimliche Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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zwar regelmäßig?
    Welches Ereignis hatte Ilka zunächst zur Flucht aus ihrem gewohnten Lebensumfeld veranlasst, dann jedoch nicht stark genug eingeschüchtert, dass sie vollständig im Verborgenen blieb?
    Wollte Ilka Senner jemandem etwas heimzahlen? Wollte sie, dass jemand endlich etwas begriff und entsprechend handelte? Wer? Was begreifen? Wie handeln?
    Süden entkorkte die Weißweinflasche, nahm das Glas, das er auf die Anrichte gestellt hatte, ging ins Wohnzimmer, öffnete wieder due Balkontür und setzte sich an den Tisch.
    Draußen begann es dunkel zu werden. Die Straßenlampen gingen an, aus offenen Fenstern in der Umgebung schallte türkische und spanische Musik.
    »Möge es nützen!«, sagte Süden und trank einen Schluck. Der Wein war aus Österreich, trocken und süffig, und die Flasche reichte Süden für mehrere Gedanken, die um sich selber kreisten. Vielleicht sollte er besser nach Hause gehen, sich ausschlafen und die Suche morgen fortsetzen, mit frischen Gedanken und Ideen, die so poliert wären wie das Mobiliar in dieser Wohnung.
    Später legte er sich auf den Boden, mit seiner Lederjacke als Kopfkissen, und streckte Arme und Beine von sich, wie am Nachmittag auf dem Hügel im Luitpoldpark. Die Balkontür hatte er gekippt. Das Rauschen der Straßenbahnen in der Ferne wiegte ihn in einen tiefen Schlaf.
    Vermutlich wäre er nicht einmal in der Gegenwart des nächtlichen Besuchers aufgewacht, wenn dieser, der sehr leise die Wohnungstür aufgeschlossen hatte und auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer geschlichen war, nicht vor Schreck über die am Boden liegende Gestalt seinen Schlüsselbund hätte fallen lassen.

[home]
    7
    D er Fremde überspielte seinen Schrecken mit einem Schnauben und Huhu-Lauten. Süden wuchtete sich in die Höhe, blinzelte, um die Schlieren des Schlafs zu beseitigen, und ging – der Fremde wich ihm aus und schnaubte – zur Tür und drückte auf den Lichtschalter. An der Decke hing eine Leiste mit zwei Halogenstrahlern, die das Zimmer hell erleuchteten.
    »Huhu«, machte der Fremde wieder und trat von einem Bein aufs andere. Er war etwa einen Meter achtzig groß, unwesentlich größer als Süden, hatte einen breiten Oberkörper und ein bleiches, schwammiges Gesicht, dessen Lippen so feucht waren wie die blassblauen, rotgeäderten Augen. Er trug ein schwarzes, abgenutztes, weit geschnittenes Sakko, darunter ein weißes Hemd, das ihm vorn aus der schwarzen Stoffhose hing, und schmutzig graue Turnschuhe. An seinen Schläfen hingen Schweißtropfen, sein Atem roch nach Rotwein. Als sein Blick auf den Schlüsselbund am Boden fiel, zog er eine Grimasse, gab ein letztes Huhu von sich und hob die Schultern.
    »Unerwartete Begegnung«, sagte er.
    Süden schwieg. Auch er schwitzte, aber nur unter dem Hemd, das einen Grad weißer war als das seines Besuchers.
    »Ich bin jetzt mal neugierig und frag Sie, was Sie hier machen. Was machen Sie hier?«
    »Ich suche jemanden«, sagte Süden.
    Der Mann sah wieder zum Schlüsselbund. »Ich heb den dann mal auf, zur Sicherheit.« Er bückte sich und hob den Schlüsselbund auf, wog ihn in der rechten Hand, als prüfe er das Gewicht der an einem Ring hängenden fünf Schlüssel, und nahm ihn in die linke Hand. Seine Fingernägel, bemerkte Süden, waren akkurat geschnitten und gefeilt.
    Nachdem er den Schlüsselbund in die linke Sakkotasche hatte gleiten lassen, sagte der Mann: »Und wen genau suchen Sie?«
    »Das wissen Sie doch.«
    »Ich weiß das? Ich weiß das nicht. Woher soll ich das wissen?«
    »Sagen Sie mir Ihren Namen.«
    »Wozu? Sie sind hier der Einbrecher. Ich habe einen Schlüssel.«
    Süden sagte: »Rufen Sie die Polizei, bevor ich Ihnen entwische.«
    Eine muntere Miene zerdehnte den Teig seines Gesichts. »Das wär natürlich möglich. Sie hauen mir eine rein und hauen ab. Erst reinhauen, dann abhauen. Und ich steh geschockt in der Gegend, mitten in der Nacht. Was machen wir jetzt?«
    »Rufen Sie die Polizei«, wiederholte Süden.
    »Sie wollen also wissen, wie ich heiße.«
    Süden stand neben der Tür zum Flur und fragte sich, wie spät es sein mochte. Draußen war es still geworden.
    »Ich will nicht so sein. Ich verrat Ihnen, wie ich heiß. Und dann sagen Sie mir Ihren Namen.«
    Süden schwieg.
    »Mein Name ist Aki Polder.«
    Nicht nur der seltsame Name, vor allem die Art, wie der Mann den Namen ausgesprochen hatte, ließ Süden keine Sekunde zweifeln, dass er angelogen wurde.
    »Sie sind dran«, sagte der vermeintliche Aki

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