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Süden und das heimliche Leben

Süden und das heimliche Leben

Titel: Süden und das heimliche Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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preiszugeben, und er wusste, seine Ex-Kollegen dachten nicht anders, besonders gegenüber einem Detektiv.
    »Hast du einen konkreten Plan?«
    »Heute schreibe ich den ganzen Tag Protokolle, fast wie früher.« Wäre er Pinocchio gewesen, hätte seine Nase vom Küchentisch aus, wo er saß, die Kühlschranktür berührt.
    »Wärst du halt Beamter geblieben.«
    »Nehmt ihr einen neuen Anlauf bei der Vermissung?«
    »Vorerst nicht«, sagte die Kommissarin. »Ich werd die Akten noch mal lesen, kann ja sein, dass ich was übersehen habe. Bis bald dann.«
    »Unbedingt«, sagte Süden. »Wiedersehen, Pinocchia.«
    »Was?«
    Er hatte die Verbindung schon unterbrochen. So wenig wie er die nächsten Stunden mit dem Schreiben von Ermittlungsberichten verbringen würde, so wenig würde Birgit Hesse nichts unternehmen. Als Erstes würde sie die Überwachung der Wohnung von Ilka Senner anordnen und dann weitere Befragungen durchführen, vor allem bei der Mutter, falls diese ansprechbar war, bei der Schwester und noch einmal bei sämtlichen Nachbarn sowie den Leuten aus der Kneipe »Charly’s Tante«.
    Etwas allerdings, davon war Süden überzeugt, würde sie nicht tun. Das, was
er
sich vorgenommen hatte.
     
    »Das ist natürlich schon ein Problem«, sagte Hanne Gries, die Rektorin der Grundschule an der Hiltenspergerstraße in Schwabing. In diesen Stadtteil trieb es ihn offensichtlich immer wieder zurück, wie das Quartett der Ilka-Vermisser an deren Stammtisch.
    »Das ist kein Problem«, sagte Süden. »Ich habe Ihnen den Notfall erklärt.« Er stand vor dem Schreibtisch der Direktorin. Im Vorzimmer herrschte ein ununterbrochenes Kommen und Gehen von Schülern, die alles Mögliche dringend wissen wollten. Die zwei Sekretärinnen schien nichts aus der Ruhe zu bringen, ähnlich wie ihre Chefin, deren geduldiges Zuhören nicht bedeutete, dass sie mit allem einverstanden war.
    »Ich will nur die Jahrgänge überprüfen, die ich Ihnen genannt habe«, sagte Süden. »Ich suche nur nach zwei Namen.«
    »Das habe ich verstanden.« Die Direktorin setzte ihre schmale Brille ab. Sie trug eine dunkelblaue Bluse mit einer silbernen Brosche, ihr Blazer hing auf einem Bügel an der Schranktür. Das Büro war hell und aufgeräumt, geschmückt mit zwei Grünpflanzen in satten Farben und einem Strauß Sonnenblumen auf dem Besuchertisch. Auf dem Fensterbrett lagen ordentlich gestapelt mehrere Tageszeitungen und Illustrierte. Ein Geruch nach Lavendel durchzog den Raum.
    »Was mich verwundert«, sagte Hanne Gries und sah Süden mit einem Blick an, den er unweigerlich streng fand, »das ist, dass die Polizei sich noch nicht bei uns gemeldet hat. Die müssten doch das gleiche Interesse haben wie Sie.«
    Süden sagte: »Ilka Senner ist eine erwachsene Frau, und solange kein konkreter Hinweis auf ein Verbrechen oder Selbstmord besteht, führt die Kripo nur allgemeine Befragungen durch. Ich bin im Auftrag ihres Arbeitgebers hier, ich verfolge andere Spuren als die Polizei.«
    Sie sah ihn weiter an, bevor sie antwortete. »Und Sie glauben, dass Sie in den Jahrgängen von vor vierzig Jahren eine Spur zu der verschwundenen Frau finden?«
    »Das hoffe ich.«
    »Süden«, sagte sie. »Wo kommt der Name her?«
    »Meine Eltern hießen so.« Aus alter schulischer Höflichkeit fügte er hinzu: »Sie stammten aus dem Sudetenland und mussten im Krieg fliehen, ich bin hier geboren.«
    »Meine Familie kommt auch von dort.« Sie setzte wieder ihre Brille auf. »Wir machen es folgendermaßen: Ich suche die Jahrgänge raus und sage Ihnen, wenn ich die Namen finde. Einverstanden?«
    Er war nicht einverstanden, er wollte selbst nachsehen. »Ja«, sagte er. »Die Akten sind im Keller?«
    »Die Akten ja, aber wir haben alles digitalisiert. Ich brauche nur im Computer nachzuschauen. Bitte setzen Sie sich derweil. Möchten Sie was trinken?«
    »Nein«, sagte er, ging zum Tisch und blieb stehen. Die Direktorin deutete auf einen der Stühle, und er bedeutete ihr, dass er stehen bleiben wolle. Sie wandte sich zum Computer und fing an zu tippen.
    Vor dem Fenster tanzten die Zweige einer Linde. Der Wind war stärker geworden, bald würde es regnen.
    »Kein Kind namens Aki Polder im entsprechenden Jahrgang«, sagte die Direktorin. »Ich schau noch in zwei weiteren Jahrgängen nach. Nichts. Wie war der andere Name?«
    »Zeiserl«, sagte Süden.
    »Klingt mehr nach einem Spitznamen.«
    »Das kann man nicht wissen.«
    Die Direktorin beugte sich zum Bildschirm. »Hier ist ein Zeisig,

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