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Süden und das heimliche Leben

Süden und das heimliche Leben

Titel: Süden und das heimliche Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Namen erfunden hat. Die meisten sagten bloß Milka zu ihr. War ja klar.«
    »Haben Sie Kontakt mit ihr?«
    »Nein.«
    »Trotzdem erinnern Sie sich an sie.«
    »Hab kürzlich mit jemandem über sie gesprochen.«
    »Mit wem?«
    »Auch mit einem ehemaligen Schulfreund.«
    Süden überlegte, dann sagte er: »Mit dem Zeiserl.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Er war bei Ihnen.«
    »Er stand einfach vor der Tür und hat genervt. Ich hab ihn reingelassen, sonst wär der nie wieder weggegangen. Zum Glück war das Wetter schön, da konnten wir auf der Terrasse sitzen.«
    »Sie mögen keine fremden Leute in Ihrer Wohnung«, sagte Süden. »Auch keine ehemaligen Schulfreunde.«
    »Niemanden.«
    »Sie leben allein dort.«
    »Im Haus meiner Eltern. Wer schreit da so bei Ihnen?«
    »Ein Mann am Handy, er war im vergangenen Winter in Kitzbühel, hat dort Franz Beckenbauer und andere Prominente getroffen und will jetzt, dass sein Freund im Dezember mit ihm hinfährt.«
    »Aber jetzt ist erst Sommer«, sagte Polder.
    »Vielleicht hat er gerade einen saisonunabhängigen Sprechanfall.«
    »Hier ist es viel stiller.«
    »Was wollte Herr Zeisig von Ihnen?«
    »Sehr gute Frage. Er hat behauptet, er hätt in der Nähe zu tun gehabt und sich spontan an mich erinnert. Das hat mir gefallen: dass er sich spontan erinnert, so ganz plötzlich, so zack, zack. Was gibt’s noch für eine Art, sich zu erinnern? Unspontan. Langfristig. Nein, er hat sich spontan erinnert und zack, stand er vor meiner Tür und blieb dann zwei Stunden.«
    »Wann war das?«
    »Vor einem Monat ungefähr, fünf Wochen, weiß nicht genau.«
    »Und Sie sprachen über die Ilka.«
    »Ich nicht, er hat über sie gesprochen. Ich hab gar nichts gesagt. Er hat mir zwei Stunden lang irgendwas erzählt, obwohl ich ihm nur eine einzige Flasche Bier angeboten hab, die stand dann leer auf dem Tisch, eine neue hab ich nicht geholt.«
    »Den Spitznamen Aki hat er damals erfunden«, sagte Süden.
    »Glaub schon. Wir sind im selben Haus in der Mitterwieserstraße aufgewachsen und haben Fußball gespielt und alles. Er ist ja jünger als ich, aber er war immer schon mit den Älteren zusammen. Als meine Eltern an den Mangfallplatz zogen, hat er uns öfter besucht. Wir haben Fußball gespielt, Tippkick, waren im Perlacher Forst unterwegs, mit Pfeil und Bogen. Nach der Sache mit dem Baumhaus wollt ich ihn nicht mehr sehen, meine Eltern auch nicht.«
    »Erzählen Sie mir von der Sache.«
    »Ungern.«
    »Aber Sie haben vor fünf Wochen mit Zeisig darüber gesprochen.«
    »Nein.«
    »Und er hat auch nichts gesagt.«
    »Jetzt muss ich mal was fragen. Sie haben mich angerufen, weil jemand verschwunden ist. Wer denn? Und was haben der Zeiserl und die Ilka damit zu tun?«
    »Ilka ist verschwunden«, sagte Süden. »Und ich hatte heute Nacht vermutlich eine unerwartete Begegnung mit Bertold Zeisig. Beschreiben Sie ihn.«
    »Selbstgefällig. Eher schmierig als unschmierig. Angehabt hat er ein schwarzes Sakko und ein weißes Hemd, und das Bier hat er mit zwei Schlucken ausgetrunken. Er hat behauptet, er käm grad von einem Auftritt bei einer Familienfeier in Harlaching. Er ist angeblich ein professioneller Zauberer. Sind Sie noch da?«
    Süden versuchte, seine Gedanken halbwegs zu ordnen, das Bild, das er sich bis zu diesem Moment von Ilka Senner gemacht hatte, nicht völlig verblassen zu sehen. Der Nebel, schien ihm, wurde immer dichter. Die handelnden Personen irrten wie Geister durch eine Landschaft, die er eigentlich kannte, die Landschaft der gewöhnlichen Lügner. Keiner von ihnen verfolgte ein böses Ziel. Sie nahmen bloß sich selbst in Schutz und tricksten mit ihren Verfehlungen und Unachtsamkeiten und ihrer Schuld, die sie aufrichtig empfanden, wenn jemand aus ihrem Umfeld ungefragt das Spielfeld verließ und unsichtbar wurde.
    Welches Spielfeld hatte Ilka verlassen? Bisher hatte Süden gedacht, ihr Verschwinden stehe im Zusammenhang mit ihrer Arbeit, ihrem Arbeitgeber, ihren Gästen, Leuten aus dem Dunstkreis der verrauchten Kneipe. Auf diesem Spielfeld hatte ein Bertold Zeisig keine Funktion. Oder doch? Und Aki aus der Akeleistraße? Wieso kam er ins Spiel? Zeisig hatte in der Nacht den Scheinwerfer auf ihn gerichtet, indem er dessen Namen benutzte.
    Zeisig, der Zauberer.
    »Hier bin ich«, sagte Süden. »Und er hat den Namen von Ilka erwähnt.«
    »Er fragte mich, wie Sie, ob ich mich an sie erinnern würd. Zuerst wusste ich nicht, wen er meinte, aber als er Milka-Ilka sagte, fiel mir wieder

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