Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süden und das heimliche Leben

Süden und das heimliche Leben

Titel: Süden und das heimliche Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
Dann nahm er eine Flasche Bier heraus, schloss den Kühlschrank mit der Hand, in der er die Zigarette hielt, steckte sie sich in den Mund, nahm den Öffner vom Haken über der Spüle und riss den Deckel ab. Dieser blieb auf der Anrichte liegen, eine magische Hand würde ihn entsorgen.
    Nickl holte ein Glas aus dem Hängeschrank, hielt die Flasche schräg und ließ das Bier ins Glas laufen, bis zur Vollendung der Krone. Er stellte die Flasche auf die Anrichte, betrachtete das Glas, hob es vage in Richtung seiner Zuschauer und nahm einen Schluck, der eine Weile nicht endete.
    In seiner grauen Cordhose und dem hellbraunen, leicht verblassten Pullover, den kariert gemusterten Pantoffeln, gut rasiert und wie frisch vom Friseur, wirkte der Wirt fundamental entspannt. Wie eine Werbe-Ikone der Berufsgenossenschaft, die beweisen wollte, wie notwendig ein Ruhetag für die seelische und mentale Gesundheit eines Wirts sei.
    Auf dem Küchentisch stand ein Aschenbecher, und er benutzte ihn. »Also was ist mit dem Typen? Und was ist mit der Ilka?«
    Nickl warf Süden einen Blick zu, bevor er wieder einen Schluck trank und rauchte.
    »Sie kennen den Mann«, sagte Süden. Er siezte den Mann, obwohl sie in der Kneipe schon per du gewesen waren.
    »Ich kenn den nicht, er war mal da, hat unsere Rotweinreste weggetrunken, praktisch.«
    »Wann war er da?«
    »Glaubst du, so was schreib ich mir auf?«
    »Sei nicht pampig, Dieda«, sagte Charlotte Nickl.
    »Das sind Fragen«, sagte Nickl und drückte, immer noch im Stehen, die Zigarette im Aschenbecher aus. »Wann war der da? Vor zwei Wochen oder so.«
    Süden schwieg vor Verblüffung.
    »Was ist? Hab ich recht oder du? Hab ich mit dem geredet oder du? Du brauchst nicht so zu schauen, als würd ich hier Lügen erzählen. Verstanden?«
    »Vor zwei Wochen …«
    »Ungefähr.«
    »… Ungefähr vor zwei Wochen war dieser Mann in deinem Lokal«, sagte Süden. »Und er hat sich vorgestellt.«
    »Was hat er?« Nickl sah seine Frau an. In seinem Blick lag eine gewisse Verständnislosigkeit, womöglich auch ein erster aufkeimender Zweifel, ob Süden das Geld wert sei, das sie ihm zugeschoben hatten.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Süden.
    »So siehst du aus.«
    »Ich war da aber nicht da«, sagte Charlotte. Sie nahm ihrem Mann das Bierglas aus der Hand und trank es leer. Es sah aus wie ein Zeichen altbewährter ehelicher Zweisamkeit.
    »Weiß ich nicht mehr«, sagte Nickl. »Das war mittags rum. Was gibt’s da nicht zu verstehen, Süden?«
    »Woher weißt du seinen Namen, wenn er sich nicht vorgestellt hat?«
    »Er hat mir seine Visitenkarte gegeben.«
    Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit, vermutete Süden, schaute er drein wie ein Weihnachtsmann, der ein dreibeiniges Rentier geliefert bekam.
    Die Wirtsleute warteten geduldig ab, bis er in ihre Gegenwart zurückkehrte.
    »Hast du die Visitenkarte noch?«, fragte er und ahnte im selben Moment die Antwort.
    »Hätt ich mir die einrahmen sollen?«
    Ja, dachte Süden und sagte: »Du hast sie weggeworfen.«
    »Der Detektiv, der niemals schlief. Gut kombiniert.«
    »Was stand drauf?«
    »Zeiserl, Zauberer. Und eine Telefonnummer. Magst noch ein Glaserl?« Er meinte seine Frau.
    Sie nickte. Er ging zum Kühlschrank, und Charlotte sagte: »Und was hat dieser Zauberer jetzt mit Ilka zu tun? Kennen die sich?«
    »Ja«, sagte Süden. »Zeisig ist vermutlich der Mann, der manchmal nachts vor euerm Lokal herumgeschlichen ist.«
    »Der ist das!«
    Süden wandte sich an Nickl. »Hast du mit Zeisig über Ilka gesprochen?«
    »Selbstverständlich.« Seine Laune schien immer besser zu werden. »Die ganze Zeit. Er hat mich gefragt, wo die Bedienung ist, die sonst immer hier arbeitet, und ich hab ihm gesagt, sie ist verschwunden, die Polizei würd nach ihr suchen. Er wollt wissen, wieso sie verschwunden ist, da hab ich ihm gesagt, das weiß kein Mensch.«
    Er hielt seiner Frau das Glas mit dem frisch eingeschenkten Bier hin. Sie nahm es und trank den Schaum ab, schlürfte und tupfte sich mit einem Schürzenzipfel den Mund ab.
    »Kannst du den Mann beschreiben?«
    »Unauffällig«, sagte der Wirt. »Normal. Eher breit als dünn. Wie gesagt, er hat die Flasche Rotwein leer getrunken, die noch da war, zum Schluss einen Willi.«
    »Warum«, fragte Süden, »hat er dir seine Visitenkarte gegeben?«
    »Er meinte, wenn ich mal einen besonderen Abend veranstalten möcht, er wär Zauberer. Hab ich gesagt, er soll mal was zaubern, da hat er zwei rote Bälle aus der

Weitere Kostenlose Bücher