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Süden und das heimliche Leben

Süden und das heimliche Leben

Titel: Süden und das heimliche Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Tasche gezogen und die verschwinden lassen. War schon nicht schlecht. Er hatte auch Tricks mit Zigaretten drauf.«
    »Davon hast du mir nichts erzählt«, sagte Charlotte.
    »Der ist raus, und ich hab’s vergessen.«
    Vielleicht, dachte Süden, war
ein
Ruhetag für diesen Wirt zu wenig.
    »Und die Visitenkarte hast du weggeworfen.«
    »Was denn sonst?«
    »Auf der Karte stand eine Telefonnummer«, sagte Süden. »Hast du noch irgendwelche Ziffern im Kopf?«
    »Wenn du weißt, wie der Typ heißt, ruf die Auskunft an.«
    »Er ist nicht eingetragen«, sagte Süden.
    »Ich versteh immer noch nicht, was genau die Ilka mit dem zu tun hat.« Charlotte trank und gab ihrem Mann das Glas zurück, der es leerte, damit das erledigt war.
    Süden stand auf. »Der Mann ist ein wichtiger Zeuge.« Er gab den beiden die Hand und ging in den Flur. Als Charlotte die Wohnungstür öffnete, sagte Dieter Nickl von der Küche aus: »Hundertfünfzig Euro verlangt er für so eine Show. Ein Klavier kostet extra. Wenn du ihn findst, frag ihn, ob er die Ilka nicht einfach herzaubern kann.«
    Von den Nickls in der St.-Martin-Straße bis zur Wohnung von Ilkas Mutter waren es höchstens zehn Minuten. Vorher brauchte Süden ein Vorabendbier.
    Er kehrte im »Anton’s« an der Ecke Wendelsteinstraße ein. Bei einem Hellen vom Bier der Totengräber versank er in Erinnerungen an die Zeiten, als die Kneipe noch Grünes Eck hieß und ein Treffpunkt für die besten Bluesmusiker der Stadt war. Trotz des Spatenbiers, auf das Südens Organe sofort gestresst reagierten, nahm er sich vor, bei Gelegenheit wiederzukommen. Das in warmen Rottönen gehaltene Lokal mit dem Wirt, der früher das Grüne Eck geführt hatte und ins glorreiche Giesing zurückgekehrt war, vermittelte ihm an diesem abseitigen Juliabend ein Bleibe-Empfinden, von dem er sofort wusste, es würde andauern.
    Den Weg zu Lotte Senner hätte er sich anschließend sparen können.
     
    »Sie hat mich an der Tür wie einen lästigen Vertreter abgewiesen«, sagte Süden zu Hauptkommissarin Birgit Hesse in der Augustiner-Gaststätte. »Sie wollte nicht über ihre Tochter reden, sie wollte nichts wissen, sie sagte, die Polizei hätte sie verhört und würde ihr nicht glauben.«
    »Das stimmt nicht.«
    Sie saßen im Muschelsaal, an einem Tisch in der Ecke, beim Durchgang zur Schwemme. Um sie herum asiatische und amerikanische Touristen, die ihre Fleischportionen fotografierten, Besucher aus Deutschland, die auf der Suche nach einer urigen Atmosphäre waren. An einigen Tischen diskutierten Münchner Geschäftsleute. Kellner und Bedienungen balancierten große Tabletts mit Tellern und Gläsern durch die Gänge.
    Süden, Gasthausbewohner von Jugend an, hatte früher hier mit seinem Freund Martin Heuer gesessen. Sie tranken Vollbier, weil sie den Edelstoff überschätzt und klebrig fanden, kramten in Gegenwart dänischer, australischer oder italienischer Besucherinnen in den Vorratskammern ihrer eher kümmerlichen Englischkenntnisse und verbrachten auf diese Weise viele überraschende Abende. Das eine oder andere Mal landete Süden in einem Hotelzimmer, während Heuer weiter allein durch die Nacht zog.
    Nach Heuers Tod kam Süden ein paar Mal her, um auf ihn mit sich selbst anzustoßen und unauffällig traurig zu sein.
    »Am Ende unseres fünfminütigen Gesprächs«, sagte er, »bezweifelte Ilkas Mutter, dass ich überhaupt Detektiv sei und das Recht habe, sie auszuquetschen. Das war ihr Wort.«
    »Wieso bezweifelte sie das?«
    »Sie sagt, Detektive gäbe es nur in Büchern und Filmen, das seien reine Hirngespinste.«
    Sie hob ihr Weißbierglas. »Zum Wohl, Hirngespinst.«
    »Möge es nützen!«
    Sie stießen an. »Das ist zu einer Unsitte geworden, dass man bei jedem Schluck mit allen anderen am Tisch anstößt.«
    »Wir sind ja nur zu zweit.«
    »Das stimmt. Möchtest du nichts essen?«
    »Nein. Und du?«
    »Nein.«
    »Keinen Hunger?«
    »Doch«, sagte Süden. »Ich esse noch eine Breze.« Er nahm sich eine aus dem Korb, der auf dem Tisch stand, seine dritte. »Was war im Tierpark? Neue Zeugen?«
    »Die Frau im Kiosk beim Affenhaus glaubt, Ilka am Sonntag bedient zu haben«, sagte Birgit Hesse. »Sie ist sich nicht sicher, natürlich. Mehr konnte sie nicht dazu sagen. Außer dass sie glaubt, sich erinnern zu können, dass Ilka Senner eine Cola und ein Eis gekauft hat. An dem Nachmittag war nicht viel los bei ihr am Kiosk.«
    »Ilka war also am Nachmittag im Zoo.«
    »Wenn sie es war.«
    »Das bedeutet«,

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