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Süden und das Lächeln des Windes

Süden und das Lächeln des Windes

Titel: Süden und das Lächeln des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Schluck getrunken und das Glas wie angewidert von sich geschoben.
    »Der Wein korkt«, sagte sie zu dem jungen Kellner mit dem Goldkettchen um den Hals.
    »Was, äh?«, sagte er.
    »Der Wein korkt.« Sie hielt ihm das Glas hin, er nahm es und ging zum Tresen, wo der Wirt in einer Zeitung las. Er schaute auf, sagte etwas auf Griechisch, holte ein frisches Glas aus dem Regal und kam mit der Zweiliterflasche Wein an unseren Tisch.
    »Der Wein kann nicht korken«, sagte der Wirt.
    Er zeigte uns die Flasche mit dem roten Schraubverschluss. Dann schenkte er ein und gab Carola das Glas.
    »Probieren Sie!«
    Sie trank einen Schluck. »Schmeckt wie vorher. Bringen Sie mir bitte ein Bier!«
    Der Wirt grinste und ging zum Tresen zurück.
    Nachdem sie das Bier bekommen hatte, trank sie, sah sich um und senkte den Kopf. »Hoffentlich ist dem Mädchen nichts passiert.«
    Freya Epp hatte einen Block vor sich liegen und schrieb mit.
    »Hoffentlich«, wiederholte Carola Schild und sah mich an.
    »Eins nach dem anderen«, sagte ich. Sie erwiderte meinen Blick und nickte.
    »Timo Berghoff war bei Ihnen«, sagte ich. »Von wann bis wann genau?«
    »Die ganze Nacht«, sagte sie stockend. »Auch… Er war noch da, als Sie in der Praxis waren. Er hat schon öfter bei mir übernachtet.«
    »Wusste Ihre Schwester Bescheid?«
    »Nein. Kann sein. Ich weiß nicht.«
    Ich wartete ab. Freya trank rasch einen Schluck Tee, der längst kalt sein musste.
    »Wir reden nicht viel miteinander«, sagte Carola Schild.
    »Wenn Sie gewusst hätte, dass er bei Ihnen ist, hätte sie keine Vermisstenanzeige erstattet«, sagte ich.
    »Das kann man nicht wissen.«
    »Wieso nicht?«
    »Auf diese Weise könnt sie mich hinhängen«, sagte sie.
    »Was haben Sie angestellt?«
    »Sie sind naiv!«, sagte sie, trank, sah mich und Freya an, als wären wir Abgesandte der Ahnungslosigkeit, und trank noch einmal. »Wir sind Schwestern, Susanne und ich, wir hängen uns gegenseitig hin, seit wir geboren sind, sie ist zehn Jahre jünger als ich, ich bin jetzt neununddreißig. Als sie auf die Welt kam, war ich schon zehn und konnte keine kleine Schwester gebrauchen. Unsere Eltern wollten, dass ich mich um sie kümmer. Hab ich nie getan, ich hab sie allein im Zimmer gelassen, wenn ich ausgehen wollt und unsere Eltern beschäftigt waren. Sie hatten ein Hotel am Englischen Garten, natürlich haben sie gedacht, ich übernehm das mal, ich werd Hotelfachfrau, studier Betriebswirtschaft und steig dann in den Jetset ein. Und was war? Meine kleine Schwester ist im Hotelfach gelandet, kein besonderes Haus, eher eine Absteige, geht mich nichts an.«
    »Leben Ihre Eltern noch?«, sagte ich.
    »Ja«, sagte sie, »sie sind nach Kiel gezogen, führen da ein kleines Haus direkt am Wasser, ich war einmal dort, betuchte Kundschaft, Jetset wahrscheinlich, diese Leute haben mich noch nie interessiert.«
    »Trotzdem konnte Ihre Schwester Ihre Freundschaft mit Timo nicht verhindern«, sagte ich.
    »Das macht sie fertig«, sagte Carola Schild und nickte. Sie schwenkte das Glas hin und her, und der Bierrest schäumte ein wenig. »Und diesmal wollt sie mir die Polizei auf den Hals hetzen. Hat ja auch geklappt. Sie sind hier.«
    »Timo blieb von Montag auf Dienstag bei Ihnen«, sagte ich.
    »Von gestern auf heut auch«, sagte sie. »Er war nicht in der Schule. Was schauen Sie mich so an? Daheim wird er geschlagen, hier nicht.«
    »Und heute?«
    »Heut hab ich ihn nach Hause geschickt, wie immer. Was denn sonst? Gegen zehn ist er weg.«
    »Allein?«
    »Ja«, sagte sie.
    »Er ist neun Jahre alt«, sagte ich.
    »Ich hab ihn zur S-Bahn am Ostbahnhof gebracht, wie immer. Er ist gern allein unterwegs, er fährt bis zur Haltestelle Unterhaching und läuft dann nach Hause. Er kann das.«
    Sie hielt das Glas hoch, bis der Kellner auf sie aufmerksam wurde. »Noch eins, bitte!«
    Wenn es stimmte, was Carola Schild erzählte, dann kam Timo am gestrigen Dienstag nach Hause, während seine Mutter bereits im Hotel war, schrieb den Zettel, klemmte ihn an die Tür und verschwand. Mach dir keine Sorgen, ich komm schon mal wieder… Und welche Rolle spielte Sara dabei?
    »Haben Sie heut noch etwas von Timo gehört?«, fragte Freya. Ich war froh, dass sie mich aus meinem Gedankenknäuel befreite.
    »Ja«, sagte Carola Schild. »Er ist noch mal zurückgekommen.«
    Der Kellner brachte das Bier.
    »Korkt nicht, das Bier, hä?«, sagte er. Carola nickte.
    »Er ist noch mal gekommen«, sagte ich.
    »Ja.«
    Ich wurde nur selten

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