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Süden und das verkehrte Kind

Süden und das verkehrte Kind

Titel: Süden und das verkehrte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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für die Ehe.«
    »Sie haben mich durchschaut, Herr Kommissar. Ich hätt gesagt, Todesstoß, aber Dolchstoß klingt weniger schlimm.«
    »Dann ist Torsten Kolb ausgezogen.«
    »Ja. Ich glaub, er hatte schon vorher andere Sachen laufen, das war schon vorher nichts Richtiges mehr zwischen den beiden. Wahrscheinlich hat sich Fabian deshalb so zurückgezogen. Mir ist das manchmal so vorgekommen, schon bevor Nastassja geboren wurde, dass da drei Menschen zusammenleben, die zwar eine Familie, aber trotzdem Fremde sind. Als wären sie nur zufällig verwandt, aus Versehen. Ist das gemein, so was zu sagen?«
    »Schon gemein, Mama.«
    »Ja, mein Schatz. Und dann, dann kam Nastassja auf die Welt, und dann waren es vier.«
    »Vier Fremde.«
    »Vier Fremde.«
    »Wir sind aber keine Fremden, Mama!«
    »Nein, wir nicht.«
    »Aber der Fabian passt schon auf die Nastassja auf. Das weiß ich.«
    Anmerkung: HK Süden, der bisher gestanden hat, setzt sich an den Tisch, gegenüber der Zeugin und des kleinen Mädchens.
    »Wie macht er das, wenn er aufpasst?«
    Anmerkung: Das kleine Mädchen traut sich nicht zu antworten.
    »Er holt sie bei uns ab. Und er geht mit ihr spazieren. Stimmts?«
    Anmerkung: Das Mädchen nickt.
    »Und er spielt ihr Musik vor.«
    »Woher weißt du das, Angela?«
    »Sie hats mir erzählt. Und sie hat mir auch gesagt, er tröstet sie, wenn ihr Vater wieder gemein zu ihr war, ganz gemein.«
    »Warum ist ihr Vater gemein zu ihr?«
    »Weiß ich nicht. Er hat sie geschlagen.«
    »Hat sie dir das erzählt?«
    »Ja.«
    »Warum hast du mir das nicht gesagt, Schatz?«
    »Hab mich nicht getraut.«
    Anmerkung: Die Zeugin umarmt ihre Tochter.
    »Aber er geht mit ihr auch ins Schwimmbad.«
    »Manchmal ist er ganz nett, das hat mir die Nasti erzählt, Mama.«
    »Schlägt Medy Kolb ihre Kinder?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Sie wollen es mir nicht sagen.«
    »Das geht mich nichts an.«
    »Es ist möglich, dass Nastassja deswegen weggelaufen ist.«
    »Ich glaub nicht, dass Medy ihr was getan hat.«
    »Warum, glauben Sie, ist das Mädchen weggelaufen?«
    »Das haben Sie mich schon gefragt. Ich weiß es doch nicht. Vielleicht ist sie nicht weggelaufen, sondern entführt worden.«
    »Ja. Was heißt das, Nastassjas Vater hat sie geschlagen? Wie hat er sie geschlagen?«
    »Das weiß ich nicht. Schatz, hast du die Frage…«
    »Er hat ihr wehgetan!«
    »Wie hat er ihr wehgetan, Schatz?«
    »Er hat sie an den Haaren gezogen und geschüttelt. So.« Anmerkung: Das Mädchen packt die Haare ihrer Mutter und zerrt daran herum.
    »Das tut weh! Hör auf! Das tut weh!«
    »Ja, das tut weh.«
    »Warum hat er das getan?«
    »Weil sie zu ihm sagt, dass sie ihn nicht mag, und dann tut er ihr weh. Weil er sich ärgert. Weil er dann böse ist und sauer und so.«
    »Das hat Nastassja dir erzählt?«
    »Ja.«
    »Wann hat sie es dir erzählt?«
    »Oft.«
    »Wann zum letzten Mal?«
    »Weiß ich nicht mehr. Ist noch nicht lang her. Ich hab Durst.«
    »Sie wussten davon nichts, Frau Karge?«
    »Nicht direkt.«
    »Sagen Sie mir bitte die Wahrheit!« Anmerkung: Die Zeugin zögert wieder.
    »Ich hab schon mal versucht, mit ihr darüber zu sprechen. Sie hat das nicht hören wollen. Und es geht mich auch nichts an. Ich habs gern, wenn Nastassja bei uns ist, ich mag das Mädchen, und ich mag auch den Fabian. Ich lass mir auch nicht reinreden, wie ich mein Kind zu erziehen hab.«
    »Würden Sie sagen, dass Nastassja ein trauriges Kind ist?«
    »Bitte? Wieso traurig? Sie ist ein Kind. Sie ist mal so, mal so. Kinder wechseln schnell in ihren Stimmungen, Sie kennen das nicht, weil Sie keine Kinder haben. Sie ist ein ganz normales Kind, verglichen mit anderen, die ich im Kindergarten schon erlebt hab. Und ich möcht nicht, dass Sie dauernd Medy unterstellen, sie wär eine schlechte Mutter, das ist sie nämlich nicht. Und sie schlägt auch ihre Kinder nicht, schon gar nicht ihre Kleine.«
    »Ich find schon, dass Nastassja traurig ist, Mama. Sie hat auch schon geweint bei mir im Zimmer, ganz schlimm sogar.«
    Vernehmungsende: dreizehn Uhr fünfundvierzig.
    Währenddessen hatte Torsten Kolb versucht, das Dezernat zu verlassen, und da er nicht weiter als bis zur verschlossenen Glastür, die zum Treppenhaus führte, kam, hämmerte er wie ein wütendes Kind mit den Fäusten an die Scheibe und trat mit den Schuhen dagegen. Meine Kollegen Braga und Gerke, die nach der zweiten Sitzung der Sonderkommission gerade die Vermisstenstelle verließen, packten ihn und

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