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Süden und das verkehrte Kind

Süden und das verkehrte Kind

Titel: Süden und das verkehrte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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stinken.
    »Capice?« , sagte er und wandte sich um.
    »Sie waren gestern mit Ihrer Tochter verabredet«, sagte ich.
    Er zündete sich eine neue Zigarette an, inhalierte tief, nickte und ließ sich wieder auf die Couch fallen.
    »Wer sagt das?«
    »Ihr Freund Hartmut Belut.«
    »Arschgeige.«
    »Sie haben es ihm am Telefon gesagt.«
    »Blödsinn.« Angewidert verzog er das Gesicht, betrachtete die Zigarette und rauchte weiter. »Ich hab sie nicht getroffen. Wenn sie weg ist, sollten Sie ihre Mutter fragen, die weiß, wo sie ist. Sie ist die Mutter.«
    Ich sagte: »Sie leben von Ihrer Frau getrennt.«
    »Si.«
    »Aber Sie sind nicht geschieden.«
    »Si.«
    »Gelegentlich wohnen Sie auch bei ihr.«
    »Ich fahr manchmal hin«, sagte er. Nach einem letzten tiefen Zug drückte er die Glut der Zigarette im Teller aus, und zwei Kippen und Asche fielen auf den Tisch. »Sie will das so. War ihre Entscheidung. Ich wollt das Kind nicht. Ich sag, eins ist genug, sie will zwei. Hat sie jetzt. Manchmal fahr ich hin, stimmt.« Er wischte sich über den Mund.
    »Wir sind verheiratet, gut beobachtet. Das heißt…« Er schlug einmal mit der flachen Hand auf seine senkrechte Faust.
    »Das heißt, Sie fahren hin, um mit Ihrer Frau zu schlafen«, sagte ich.
    »Nein«, sagte er. »Ich fahr hin, um sie zu ficken.«
    Ich sagte: »Bestimmt freut sich Ihr Sohn, wenn Sie kommen.«
    Kolb starrte mich an. Er hatte helle, frostige Augen.
    »Was wollen Sie?«, sagte er. »Ich hab einen Anwalt. Was soll das?«
    »Rufen Sie ihn an.«
    »Hä?«
    »Rufen Sie Ihren Anwalt an, das ist besser für Sie.«
    »Ich brauch keinen Anwalt!«, schrie er. »Und jetzt hau ab!« Er kaute auf der Unterlippe, schnellte hoch, blieb stehen, sah mich an und kam wieder, wie vorhin, auf mich zu. Im letzten Moment traute er sich dann doch nicht, mich anzurempeln.
    »Ich muss Sie mitnehmen«, sagte ich.
    »Das können Sie ja mal probieren.« Breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt, wartete er ab.
    »Ich belehre Sie darüber, dass Sie nicht das Recht haben, die Aussage zu verweigern, ich vernehme Sie als Zeugen, Sie haben die Pflicht auszusagen.«
    In seiner Ratlosigkeit wirkte er, trotz seines Auftritts als Zimmerheld, beinahe debil.
    Ich sagte: »Außerdem weise ich Sie darauf hin, dass wir im Moment ein Vorgespräch führen. Es ist Teil der offiziellen Zeugenvernehmung, die wir im Dezernat fortsetzen. Überlegen Sie also gut, was Sie mir sagen. Das Beste ist, Sie rufen jetzt Ihren Anwalt an, er soll herkommen, und Sie fahren dann gemeinsam ins Dezernat.«
    Seine Lippen zuckten, er streckte den Bauch vor und kratzte sich unter dem Sweatshirt. »Verstanden. So. Erst mal dusch ich. Dann geh ich einen Kaffee trinken, dann werd ich mir überlegen, was ich mach. In dieser Reihenfolge. Und dazu brauch ich definitiv keinen Anwalt.«
    »Beantworten Sie mir eine Frage«, sagte ich, »sie ist sehr wichtig für unsere Fahndung nach Ihrer Tochter.«
    Er ließ sich Zeit. Dann nickte er und deutete mit dem Kopf auf mich.
    »Haben Sie Ihre Tochter gestern Abend getroffen?«, sagte ich.
    »Nein«, sagte er.
    Er schaute mir sekundenlang ins Gesicht, dann drehte er sich um und öffnete die Tür zum Badezimmer. Den muffigen Geruch schien ein Berg schmutziger Wäsche auszuströmen.
    »Ich muss telefonieren«, sagte ich.
    »Bei mir nicht«, sagte Kolb. Er schloss die Tür, bevor er sie noch einmal einen Spaltbreit aufzog. »Ich hab kein Telefon und mein Handy geb ich Ihnen nicht.«
    »Duschen Sie sich«, sagte ich. »Und ziehen Sie sich an. Wenn es klingelt, öffnen Sie bitte und folgen meinen Kollegen. Wenn Sie nicht öffnen, sind meine Kollegen berechtigt, das Schloss zu knacken. Gefahr im Verzug. Natürlich wären Sie von diesem Moment an kein Zeuge mehr, sondern ein Tatverdächtiger.« Ich hatte die Wohnungstür bereits geöffnet. »Vergessen Sie nicht, Ihren Anwalt anzurufen.«
    Vom Auto aus verständigte ich die Einsatzzentrale. Dann wartete ich auf die Kollegen von der Streife.
    An Martin dachte ich nicht. Ich dachte an niemanden außer an das verschwundene Mädchen und dessen Eltern, deren Verhalten mir ein Gesicht aufzwang, das ich im Spiegel nicht sehen konnte und das ich deshalb nicht wahrnahm.
    Seit etwa zwölf Uhr saß Torsten Kolb im ersten Stock des Dezernats, wohin ihn meine Kollegen gebracht hatten. Er hatte keinen Widerstand geleistet. Auf die Frage, weshalb sein Anwalt ihn nicht begleite, antwortete er, dieser sei verreist, außerdem komme er auch allein zurecht. Er

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