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Süden und das verkehrte Kind

Süden und das verkehrte Kind

Titel: Süden und das verkehrte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Interessiert die nicht. Ich bin Betriebsleiter, ich bin doch nicht irgendein dahergelaufener Schraubendreher! Hat die nie interessiert. Ihre Tochter hat fürs Lehramt studiert. Geschichte. Englisch. Deutsch. Das ist was. Und dann heiratet die einen Autohändler. Abstieg. Das ist Rassismus, wie die mit andern umgehen. Der hat doch keine Ahnung, der Alte!«
    »Er lügt also«, sagte ich.
    »Was ist jetzt mit meiner Frau?«, sagte Kolb. »Wieso ist die im Krankenhaus?«
    »Sie hat zu viel getrunken«, sagte ich.
    »Ich sags! Die trinkt. Wahrscheinlich hat sie auch noch Tabletten geschluckt! Oder? Oder? Hab ich Recht? Freilich hab ich Recht.«
    Ich sagte: »Warum haben Sie sich eigentlich noch nicht scheiden lassen, Herr Kolb?«
    »Wieso denn? Spinnst du? Wieso soll ich mich scheiden lassen? Spinnst du? Ich hab zwei Kinder, da zahl ich mich blöd, wenns schlecht läuft. Und heutzutage läufts immer schlecht für den Mann. Ich lass mich doch nicht scheiden! Ist ihr doch recht so. Fragen Sie sie! Das ist halt eine moderne Ehe, die wir führen, verstehst mich?«
    Er grinste.
    Als es an der Tür klopfte, hoffte ich, es würde Freya Epp sein, die ich beauftragt hatte, in Kolbs Autohaus anzurufen und die Arbeitszeiten zu überprüfen.
    »Entschuldigung«, sagte Florian Nolte, ein junger Oberkommissar aus der Vermisstenstelle. »Ich hätt eine wichtige Nachricht für Herrn Süden.«
    Im Flur schloss ich die Tür hinter mir.
    »Wir haben einen Zeugen«, sagte Nolte. »Der behauptet, er hat das Mädchen in ein Auto steigen sehen, silbergrauer Audi, vom Münchner Kennzeichen hat er sich ein B und zwei Ziffern gemerkt. Wir haben die Nummer gecheckt.«
    »Wem gehört der Wagen?«
    »Wir haben fünfzehn Fahrzeuge, die mit der Ziffern und Buchstabenkombination in Frage kommen.«
    »Ist der Zeuge hier?«
    »Er hat angerufen, ich hab ihm gesagt, er soll herkommen. Er sagt, er schafft es in einer halben Stunde.«
    »Warten Sie bitte einen Moment.« Ich ging zurück ins Vernehmungszimmer. »Welches Auto fahren Sie, Herr Kolb?«
    »Wieso?«
    »Bitte beantworten Sie die Frage«, sagte Thon.
    »Einen Audi natürlich.«
    »Wieso natürlich?«, sagte Thon.
    »Weil das unsere Marke ist.«
    »Welche Farbe hat Ihr Auto?«, sagte ich.
    »Silbergrau.«
    »Und das Kennzeichen?«
    Er nannte es, und ich ging wieder in den Flur hinaus.
    »Steht diese Autonummer auf Ihrer Liste?«
    Florian Nolte betrachtete das Din-A4-Blatt, das er mitgebracht hatte. »Hier ist sie!«
    Zurück im Zimmer sagte ich: »Ich wiederhole eine Frage, Herr Kolb: Waren Sie gestern Abend mit Ihrer Tochter Nastassja zusammen oder in der Nähe der Wohnung in der Josephinenstraße?«
    »Der Typ nervt. Nein. Bist du irgendwie schwerhörig?«
    »Hören Sie auf, meinen Kollegen zu duzen!«, sagte Thon.
    Ich sagte: »Ich belehre Sie darüber, dass Sie von jetzt an nicht mehr als Zeuge, sondern als Tatverdächtiger vernommen werden. Das bedeutet, Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern und einen Anwalt hinzuzuziehen. Ich beschuldige Sie, am Verschwinden Ihrer sechsjährigen Tochter beteiligt zu sein und die Arbeit der Polizei massiv zu behindern. Wir haben das Recht, Sie achtundvierzig Stunden festzuhalten und zu befragen. Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?«
    Torsten Kolb machte einen verwirrten Eindruck. Er beugte sich vor und wusste offenbar nicht, was er sagen sollte.
    »Sie werden beschuldigt, Ihre Tochter entführt zu haben«, sagte Thon.
    Ich sagte: »Ein Zeuge hat Ihr Auto gestern Abend in der Nähe der Josephinenstraße gesehen und beobachtet, wie Ihre Tochter zu Ihnen in den Wagen gestiegen ist.«
    Kolb rückte auf seinem Stuhl hin und her. Im Gegensatz zu bisher wirkte er verunsichert. Er gestikulierte mit den Händen, ohne etwas zu sagen. Dann streckte er den Rücken und bemühte sich um einen entschlossenen Ausdruck.
    »Ich sag nichts mehr. Ist mir egal, wenn Sie mich einsperren. Das sitz ich aus. Das wird euch noch Leid tun! Und jetzt aus die Maus!«
    Eine halbe Stunde später betrat der Zeuge, der Torsten Kolb gemeinsam mit seiner Tochter gesehen haben wollte, mein Büro.
    Beginn der Vernehmung: Samstag, der sechste April, siebzehn Uhr zwanzig.

8
    N ame: Sigburg, Vorname: Ernst, Alter: einundsechzig, wohnhaft in der Teutoburger Straße, Beruf: freier Journalist.
    »Haben Sie die Absicht, über diese Vernehmung einen Artikel zu schreiben?«
    »Ich arbeite in einer Lokalredaktion in Wolfratshausen«, sagte Ernst Sigburg. »Für München bin ich nicht

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