Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süden und das verkehrte Kind

Süden und das verkehrte Kind

Titel: Süden und das verkehrte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
Ludwigshöher. Der Fahrer war ausgestiegen und kniete neben der Beifahrertür, die offen war. Er redete mit einem Mädchen, mit seiner Tochter.«
    »Woher wissen Sie, dass es seine Tochter war?«
    »Das sah so aus. Er hat sie geküsst und ihre Hand gehalten.«
    »Warum, glauben Sie, ist er ausgestiegen? Er hätte auch im Auto mit ihr sprechen und sie küssen können.«
    »Hab ich nicht drüber nachgedacht. Aber Sie haben Recht.«
    »Können Sie sich erinnern, welche Kleidung das Mädchen trug?«
    »Ja, deshalb hab ich mich auch gemeldet, als ich die Nachricht im Radio gehört hab. Sie trug eine rote Jeansjacke mit Pelzkragen, die hab ich deutlich sehen können. Und Jeans, glaub ich. Da bin ich mir aber nicht sicher.«
    »Wie lange haben Sie den beiden zugesehen?«
    »Eine oder zwei Minuten. Ich hab dann Zeitung gelesen. Und als ich wieder rausgeschaut hab, war das Auto weg.«
    »Der silbergraue Audi.«
    »Ja.«
    »Und das Mädchen auch.«
    »Die war doch im Auto.«
    »Haben Sie gesehen, ob sie vorher mal ausgestiegen ist?«
    »Ja. Ja, hab ich!«
    »Wann vorher, Herr Sigburg?«
    »Vorher. Nachdem der Vater mit ihr gesprochen hatte. Er wollte gerade wieder einsteigen, auf der Fahrerseite, da ist sie ausgestiegen und hat mit den Füßen aufgestampft und geweint, glaub ich.«
    »Was hat der Mann dann getan?«
    »War es nicht ihr Vater?«
    »Beschreiben Sie ihn bitte.«
    »Anfang dreißig, Lederjacke, Schnauzbart, Stoppelfrisur.«
    »Das Mädchen hat geweint.«
    »War es ihr Vater? Ja, das Mädchen hat geweint, er hat es getröstet.«
    »Wie?«
    »Bitte?«
    »Wie hat er das Mädchen getröstet?«
    »Er hat ihr über die Wange gestreichelt.«
    »Sonst nichts?«
    Anmerkung: Der Zeuge denkt lange nach.
    »Nein, sonst nichts. Er hat dagestanden, vor ihr, ich hab sie nicht sehen können, dann ist er eingestiegen und sie auch.«
    »Das haben Sie alles innerhalb von zwei Minuten beobachtet?«
    »Möglich, dass ich doch länger hingesehen hab. Aus Langeweile. Es ging ja nichts vorwärts.«
    Anmerkung: HK Süden legt dem Zeugen ein Foto von Nastassja Kolb vor.
    »Ist das das Mädchen, das Sie gesehen haben?«
    »Ja.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    Anmerkung: HK Süden legt dem Zeugen ein Foto des Tatverdächtigen Kolb vor, das der Erkennungsdienst angefertigt hat.
    »Ist das der Mann, den Sie an dem silbergrauen Audi gesehen haben?«
    »Sieht aus wie ein Fahndungsfoto. Ja, das ist der Mann.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Wenn Sie sich die Situation, die Sie beobachtet haben, noch einmal vor Augen führen, wie würden Sie sie interpretieren, was ist Ihrer Meinung nach passiert?«
    »Ein Streit zwischen Vater und Tochter. Ist es denn der Vater gewesen? Oder dürfen Sie das nicht sagen?«
    »Ihrer Beschreibung nach könnte es der Vater gewesen sein.«
    »Bin ich der einzige Zeuge?«
    »Bitte beantworten Sie meine Frage. Was ist zwischen den beiden vorgefallen?«
    »Sie haben sich gestritten. Das war offensichtlich. Der Vater hat sich bemüht, sie zu beruhigen. Sehr eng scheint das Verhältnis nicht zu sein. Das Mädchen hatte die Hände die ganze Zeit in den Hosentaschen, das fällt mir jetzt ein.«
    »Sie haben gesagt, er hat ihre Hand gestreichelt.«
    »Ja. Jetzt weiß ich es wieder: Er hat sie am Handgelenk genommen und ihre Hand aus der Tasche gezogen. So war das! Und dann hat er sie getätschelt und dann hat sie die Hand wieder in die Tasche gesteckt. Ja. Also, da war eine Distanz. Mehr kann ich nicht sagen. Wie alt ist das Mädchen?«
    »Sechs Jahre.«
    »Sechs erst! Und schon so selbstbewusst. Oder eigensinnig. Stur. Schon mit sechs. Die Kinder werden immer früher eigenständige Wesen, da sind Sie als Eltern nur noch Statisten. Sechs Jahre! Als ich sechs war, war ich aus heutiger Sicht ein Baby, eingeschüchtert von den Erwachsenen, ich hab nur geredet, wenn ich gefragt wurde.«
    »In welcher Richtung stand das Auto, Herr Sigburg?«
    »Jetzt fällt es mir ein! Das Auto stand zuerst in Richtung Innenstadt. Aber dann muss er umgedreht haben. Denn er konnte doch nicht in die Wolfratshausener Straße einbiegen, weil Stau war. Und er war ja weg. Er muss zurückgefahren sein, die Ludwigshöher in die andere Richtung.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Gesehen hab ich es nicht.«
    »Er könnte sich also auch in den Stau eingeordnet haben.«
    »Ja, aber das ist unwahrscheinlich. Wir standen ja alle, da ging nichts vorwärts. Er ist garantiert zurückgefahren.«
    »Wie lange dauerte der Stau?«
    »Eine Viertelstunde, mein ich.«
    »In

Weitere Kostenlose Bücher