Süden und der Luftgitarrist
Luftgitarre.«
»Sinddiebeidermeisterschaftdadabeioderwas?«
»Ja«, sagte ich.
»Deinkollegeistdochbolizistodernicht?«
»Ja«, sagte ich.
»Undderspieltluftgitarre?«
»Ja«, sagte ich.
»Hatderdannaucheineluftpistole?« Ein Grinsen spielte ein Solo mit Obis Lippen, sonst rührte sich kein Muskel.
»Kommst mit, meinen Bruder suchen?«, sagte Edward.
»Deswegen sind wir hier«, sagte Martin.
»Aber… ich hab schon… ich hab schon alles abgesucht.«
»Wir finden ihn«, sagte Martin.
Edward legte den Arm um ihn. »Wir müssen den finden… weil… weil wir gehen weg, er und ich, wir bringen jetzt… wir klären jetzt alles… alles… das Leben, seins und meins und… Uns hält hier… hält hier nichts…«
»Wo wollt ihr hingehen?«, fragte Martin.
»Erst nach Amerika… und dann… und dann nach Frankreich… wahrscheinlich…«
»Warum in diese Länder?«, fragte ich.
»Da leben unsere Väter«, sagte Edward und sein Kopf sackte nach unten, und er hob ihn sofort wieder. »Meiner… drüben… und seiner… da drüben… Deswegen… Der kann gar nicht weg sein, weil… wir gehen gemeinsam, das war ausgemacht, wo ist der denn?«
»Gibts noch was zu trinken?«, fragte ich Obi. Er nickte los.
11
Z wei Stunden lang hatten wir Edward Loos zugehört, bevor der Wackeldackel androhte, uns alle drei zu erschießen, wenn wir nicht sofort sein Lokal verlassen würden.
»Wegeneuchkriegichjetztmegazoffmitmeineralten!« , brüllte Obiwiederbaumarkt uns hinterher, quer über die Straße. Ich schnallte Edward auf dem Beifahrersitz an und Martin setzte sich nach hinten.
»So ist das bei uns«, sagte Edward beim Losfahren. Obwohl er weitergetrunken hatte, wirkte er klarer als zu Beginn unserer Begegnung in der Kneipe, vielleicht hatte das Sprechen den Nebel in ihm vertrieben. Er erklärte uns, wohin wir fahren mussten, auch wenn er nicht daran glaubte, dass wir mehr Erfolg haben würden als er.
An den Orten, die wir aufsuchten, war er bereits die Nacht zuvor gewesen, er hatte Leute aus dem Schlaf geklingelt, von denen er hoffte, sie hätten Aladin in den vergangenen sechs Wochen gesehen, er blieb bis zur Sperrstunde in Lokalen, die irgendjemand erwähnt hatte und in denen sein Halbbruder angeblich verkehrte. Donnerstag Nacht, als Martin in der Nähe der Pension »Stefanie« auf ihn gewartet hatte, traf er sich mit dem Manager des FC Bayern, den er zuvor am Telefon beinahe angefleht hatte, sich eine halbe Stunde Zeit zu nehmen. Nach dem Gespräch, bei dem der Mann ihm versicherte, er habe seit zwei Jahren kein Wort mit Aladin gewechselt, obwohl sie vereinbart hatten, er könne sich jederzeit melden und sei als Zuschauer bei jedem Training willkommen, ebenso bei den vereinsinternen Weihnachtsfeiern, besuchte Edward zwei Clubs, in denen Spieler des FC Bayern Stammgäste waren. Er traf nur zwei der Jüngeren, die Aladin lediglich von Fotos kannten. Am Morgen danach rief er den Arzt an, mit dem auch Martin gesprochen hatte, und erfuhr nicht mehr, als er bereits wusste. In seiner Not fuhr er ein zweites Mal in die Lerchenau und stellte Genoveva Viellieber in ihrer Bankfiliale zur Rede, weil er überzeugt war, sie habe ihm etwas verschwiegen. Und stündlich rief er Aladins Handynummer an, doch jedes Mal meldete sich die automatische Stimme der Mailbox, wie schon seit ungefähr zwei Monaten. Da er wusste, er würde Mitte Februar nach München kommen und seinen Halbbruder treffen, um gemeinsam mit ihm seinen Plan in die Tat umzusetzen, und da er sein Erfurter Projekt nicht verlassen konnte, hatte er seine Sorgen verdrängt und sich eingeredet, Aladin sei einfach wieder »strawanzen« wie schon oft. Schon zuvor, wenn sie miteinander telefoniert hatten, weigerte sich Aladin hartnäckig zu sagen, wo er sich gerade herumtrieb.
»Er fand das gut, wenn man nicht wusste, wo er steckt«, sagte Edward. »Am liebsten wär er unsichtbar gewesen, zumindest manchmal, und je älter er wurde, desto öfter.«
Für uns war Aladin Toulouse ein Unsichtbarer. In der Nacht zum Samstag, dem vierzehnten Februar, klapperten wir alle Örtlichkeiten ab, die Edward uns nannte und an denen er selbst zwölf Stunden zuvor gewesen war: an der Rosenheimer Straße, an der Prinzregentenstraße, an der Maximilianstraße, im Glockenbachviertel, im Lehel, in Schwabing, in Harlaching. Wir durchquerten die Stadt von Norden über den Osten nach Süden, nur der westliche Teil blieb uns erspart. Es war eine Reise durch ein verlassenenes Universum, weder
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