Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel
Freundschaft, und dass ich nicht mit ihr nach Lanzarote fliege, zeige ihr, so hatte sie mir am Flughafen gesagt, wie weit ich mich bereits von ihr entfernt hätte und wie erkaltet unsere Beziehung sei. Den Hinweis auf meine Flugangst ignorierte sie, sie wäre, wenn ich gewollt hätte, mit mir im Auto oder im Zug verreist, egal wohin .
Immerhin hatte ich versprochen, im Herbst mit ihr an die Nordsee zu fahren, eine Woche oder sogar zehn Tage, falls sich unser Dienstplan entsprechend koordinieren ließ. Ja, ja, hatte sie beim Abschied am Gate gesagt, übernimm dich nicht! Als wir uns umarmten, vermisste ich sie schon.
… There are no mistakes in life, some people say ,
It is true sometimes you can see it that way .
But people don’t live or die, people just float …
»Ist er das?«, sagte Martin.
Aus einem grünen verrosteten VW war ein Mann in einer billigen Windjacke gestiegen, in roten, verwaschenen Jeans und einem Jeanshemd, unter dem sich der Bauch wölbte. Er sperrte das Auto nicht ab und schlurfte in trägen, eckigen Schritten über den Kies .
»Ja«, sagte ich, und wir kurbelten die Fenster hoch und glitten in unseren Sitzen nach unten .
In der Einfahrt zum Haus auf der anderen Seite der Durchgangsstraße, an der die Kneipe lag, hielt ein Wagen an, ein BMW.
Während unserer Zeit bei der Mordkommission hatten Martin und ich an einigen Observationen teilgenommen, sodass wir nicht überrascht waren, als nach ungefähr zehn Minuten unsere beiden Tresennachbarn nach draußen kamen, sich streckten und mit einer schnellen Kopfbewegung in Richtung ihrer Kollegen zu dem schwarzen BMW auf dem Parkplatz gingen. Im Grunde war es ein leichtes Spiel, einen Observierer zu observieren, seine totale Aufmerksamkeit galt ausschließlich zwei Personen: dem Verdächtigen und sich selbst. Wer sich sonst auf der Bildfläche herumtrieb, interessierte ihn nicht, jede Ablenkung barg das Risiko der Enttarnung .
»Was für ein Aufwand für einen Unschuldigen«, sagte ich.
»Die Unterlagen, die du gelesen hast, sind nicht in Stein gehauen«, sagte Martin. »Der Marienfeld ist ein erfahrener Mann, der startet so eine Aktion nicht nur wegen der Presse, wenn er keine konkreten Gründe hat.«
»Vielleicht«, sagte ich.
»Wir sind nicht zuständig«, sagte Martin wieder. »Und wir kennen den Niko nicht. Wir haben ihn als Kind gekannt, das ist lang her.«
»Wir gehen rein«, sagte ich. »Ich habe Durst.«
»Und ich erst!«, sagte Martin beim Aussteigen. »Du hast mich ja gezwungen, diesen salzigen Wurstsalat zu essen!«
»Ich habe Durst, weil es so warm ist.«
»Einen dermaßen versalzenen Wurstsalat hab ich noch nie gegessen.«
»Er war nicht versalzen.« Ich wollte gerade die schwere Holztür aufdrücken, als Martin die Hand auf meinen Arm legte.
»Hältst du mich für einen guten Polizisten, Tabor?«, sagte er .
Überrascht sah ich ihn an und sah den Schweiß in seinem Haarkranz, seine eingefallenen Wangen, seine zuckenden Lider.
»Du bist ein ausgezeichneter Polizist«, sagte ich. »Warum fragst du mich das jetzt?«
»Weil ich glaub, dass ich immer nur ein Mitläufer war.«
Seine ruhige Art zu sprechen beunruhigte mich, seine kühle, raue Hand auf meinem Arm schien mein Blut zu berühren.
Behutsam sagte ich: »Von wem sollst du ein Mitläufer gewesen sein, Martin?«
»Von dir«, sagte er, und es klang ohne Vorwurf, ohne Erregung, beinahe erleichtert.
Weil ich nicht mein übliches Schweigen eintreten lassen wollte, sagte ich: »Du hast uns in den Dienst gebracht, und ich habe mich überzeugen lassen.«
Martin nahm die Hand von meinem Arm, und aus einem irritierenden, unerklärlichen Grund bedauerte ich es .
»Aber nicht von mir hast du dich überzeugen lassen.«
»Von wem denn sonst?«
»Von dir selbst.«
Ich schwieg wie unter einem Zwang .
»Nein«, sagte ich dann.
»Entschuldige!«, sagte Martin und wischte sich übers Gesicht. Und für einen Moment musste ich wieder an meinen Vater denken, an Bogdan, an den Mann am Müllcontainer. »Manchmal denk ich so Zeug. Lass uns was trinken!«
»Du bist kein Mitläufer«, sagte ich .
»Okay«, sagte er und stemmte sich mit seinem schmächtigen Körper gegen die Tür.
Ich legte die Hand auf seine Schulter. »Du bist niemals ein Mitläufer gewesen.«
»Du hast Recht«, sagte er, wartete und hielt die Tür auf, bis ich an ihm vorbei in den Vorraum getreten war. »Nur ein Mittrinker.«
Erschüttert vom Ton und der maßlosen Traurigkeit seiner Worte, drehte
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