Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Titel: Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
zog, verbrachte sie jeden Tag einige Stunden in seiner Wohnung, während er am Schreibtisch Gags, Pointen und Spiele für die Shows von Ronny Simon erfand und seine Ideen im Wohnzimmer oder auf der Wiese gestenreich und lautstark ausprobierte. Die beiden Familien fuhren gemeinsam in Urlaub, und als die Ehe Talhoffs auseinander zu brechen begann, kümmerten sich Ronny und Hella Simon um die Freunde, nahmen den vierjährigen Sohn vorübergehend in ihrem Haus auf, um ihn vor den immer heftiger werdenden Wortgefechten seiner Eltern zu schützen. Schließlich zogen beide aus, der Junge blieb bei der Mutter, und der Vater tauschte – nicht freiwillig – seine hauptsächlich sitzende Tätigkeit gegen einen Job ein, bei dem er ständig unterwegs und körperlich stark gefordert war.
    Henrik Talhoff stieg in den neu gegründeten Sicherheitsdienst eines Bekannten ein und besuchte fortan regelmäßig ein Fitnessstudio. Er schaffte sich einen Hund an, einen Dobermann, der auf den Namen Lobo hörte .
    Einen der Hauptgründe für seinen drastischen beruflichen Neuanfang lieferte Ronny Simon. Dem beliebtesten und erfolgreichsten Showmaster Deutschlands gefielen Talhoffs Konzepte nicht mehr, er fand die Witze nicht mehr zeitgemäß, die Spiele langweilig und die neuen Showelemente mehr und mehr antiquiert und einem Publikum, das die schnellen, polternden Programme der Privatsender gewohnt war, nicht mehr zumutbar. Die einstigen Partner verkrachten sich, schalteten Anwälte ein und beschimpften sich über die Medien gegenseitig .
    Irgendwann schienen die finanziellen Dinge geklärt, obwohl Talhoff weiter behauptete, ausgenutzt und betrogen worden zu sein, und sein Name verschwand aus den Schlagzeilen.
    Vor etwa einem Jahr kam es bei einer Jubiläumssendung der Show zu einer Wiederbegegnung von Talhoff und Simon, sie gaben sich die Hand, sie erhoben ihr Glas, sie verabredeten sich. Und einige Wochen später druckte eine Illustrierte ein Foto ab, auf dem Ronny, Hella und Lucia Simon einträchtig mit Henrik Talhoff auf einem Segelboot Champagner tranken, wie in alten Zeiten. Von nun an verkehrte Talhoff wieder regelmäßig im Hause Simon, die Firma, die er inzwischen übernommen hatte, sorgte bald für die Sicherheit der zur Show eingeladenen Stars, und so klang es nur logisch, dass Talhoff und seine Kollegen sich sofort zur Stelle meldeten, nachdem Lucias Entführung bekannt geworden war .
    Die Entführung und Erpressung hatte Talhoff ohne Wissen seiner Mitarbeiter durchgezogen, was viele Journalisten und auch einige meiner Kollegen erst dann nicht mehr bezweifelten, als durch die Vernehmungen die alleinige Täterschaft Talhoffs eindeutig bewiesen war .
    Ich hatte ihn von Anfang an für verdächtig gehalten. Er redete zu wenig, er hielt sich im Hintergrund. Alles, was er sagte und tat, wirkte korrekt, nie fühlte er sich von unseren Fragen bedrängt. Gegenüber Reportern verwies er ständig auf die Kompetenz der Polizei und bestritt nie die Vorgänge der Vergangenheit, als er Simon am liebsten an die Gurgel gegangen oder sich auf andere Weise an ihm gerächt hätte. Henrik Talhoff vermittelte einen unglaublich unverdächtigen Eindruck. Zwar taugte sein Alibi für die Zeit der Entführung nicht viel – er habe seinen Rausch vom Vortag ausgeschlafen und sich erst am späten Nachmittag bei Simon gemeldet, dessen Geburtstag am Tag zuvor flaschenreich gefeiert worden war –, die kriminaltechnische Untersuchung seines Wagens, eines weißen Kombis, brachte jedoch kein brauchbares Ergebnis. Wenn er die junge Frau gekidnappt hatte, dann in einem anderen Fahrzeug .
    »Ich hab eins geklaut«, sagte er zu mir. »Habs mir ausgeliehen, dann hab ich Lucia geholt, sie ins Versteck gebracht und den Wagen wieder da hingestellt, wo er vorher stand. Total simpel.«
    So redete er die ganze Zeit. Wir hatten ihn kurz nach der Geldübergabe in seiner Wohnung festgenommen .
    Und schon bei meiner ersten Vernehmung gestand er die Tat.
    »Folgendes, so läufts …« Erika Haberl, die Sekretärin der Vermisstenstelle, die die meisten unserer Vernehmungen auf dem Laptop protokollierte, kam kaum mit dem Tippen nach, so atem- und tonlos redete Talhoff.
    »… Simple Sache, ihr gebt mir das Geld, ich flieg ins Ausland, und die junge Dame ist frei. Andersrum schlecht . Ich geh in den Bau, die junge Dame verreckt. Suchs dir aus, Süden. Ich hab sie entführt, Geständnis eins. Ich hab das Geld erpresst, Geständnis zwei. Ich bins, ihr habt den Richtigen erwischt. Und

Weitere Kostenlose Bücher