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Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Titel: Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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die Sie uns vorenthalten?«
    »Nein«, sagte Karl Funkel mit ruhiger Stimme. »Die Entführer wollen das Geld, und sie werden es bekommen . Herr Simon tut alles, um das Leben seiner Tochter zu retten, genau wie wir.«
    »Aber eine konkrete Spur haben Sie noch nicht!«
    »Sie verhandeln seit einem Monat mit den Kidnappern, und nichts passiert!«
    »Stimmt es, dass die Familie Simon ein Privatunternehmen beauftragt hat, nach ihrer Tochter zu suchen?«
    »Das stimmt nicht«, sagte Funkel. »Sie spielen auf die Tätigkeit von Herrn Talhoff an, der einen privaten Sicherheitsdienst leitet und ein enger Freund der Familie Simon ist. Seine Aufgabe besteht vor allem darin, das Grundstück vor Übergriffen zu schützen …«
    »Er befragt Leute, er sucht mit seinen Mitarbeitern das Bavaria-Filmgelände und den umliegenden Wald ab!«
    »Das haben wir längst selbst getan, das wissen Sie doch!«
    Funkel rieb an der schwarzen Klappe über seinem linken Auge. »Bitte begreifen Sie, wir sind auf Ihre Mithilfe angewiesen, wir enthalten Ihnen keine Erkenntnisse vor, das können wir doch nicht riskieren!«
    Wenn Karl Funkel die Wahrheit auch nur streifte, klang er vertrauensvoll und aufrichtig. Natürlich basierten unsere Ermittlungen auch auf Spuren, die wir nicht veröffentlichten, eine Reihe neuer Hinweise und Zeugenaussagen blieben ausschließlich der Soko vorbehalten, zumal wir im Fall Lucia zunehmend von Tätern aus dem unmittelbaren Umfeld der Familie Simon ausgingen und diese unter keinen Umständen durch leichtfertige öffentliche Bemerkungen misstrauisch machen durften. Trotzdem fehlten uns eindeutige Beweise .
    »Wann findet die Geldübergabe statt?«
    »Dämliche Frage!«, blaffte Thon.
    »Innerhalb der nächsten sechsunddreißig Stunden«, sagte Funkel. Thon kratzte sich mit dem Finger am Hals und blickte abweisend in den Saal.
    Seit elf Jahren leitete Karl Funkel das Dezernat. Er war dreiundfünfzig, nicht verheiratet und hatte eine Weile mit Sonja in der Elisabethstraße zusammengelebt, bevor sie sich im Urlaub zerstritten und unmittelbar nach ihrer Rückkehr den gemeinsamen Haushalt auflösten. Sonja zog in eine kleine Wohnung im nördlichen Stadtteil Milbertshofen, Funkel blieb in Schwabing, wo er jeden Sonntag den Gottesdienst in der Josephskirche besuchte .
    Der Angriff eines drogensüchtigen Dealers, bei dem Funkel sein Auge verlor, hatte ihn nicht dazu bringen können, den Polizeidienst zu quittieren. Auf ausdrückliche Weisung des Ministers leitete er weiter das Dezernat, wenn er auch nur noch selten Tatorte in Augenschein nahm. Für das Licht der Welt, sagte er gelegentlich, habe er nur noch ein Auge, und das genüge ihm, und der Welt sowieso. Wie viele von uns war er im Grunde mehr aus Bequemlichkeit und Ratlosigkeit und um keinen Wehrdienst leisten zu müssen zur Polizei gegangen, Karriere interessierte ihn wenig. Doch als er die Chance erhielt, in den gehobenen Dienst zu wechseln, nahm er sie ebenso wahr wie Martin Heuer und ich. Gegen den Widerstand einiger Kollegen hatte er Volker Thons Bewerbung um die Leitung der Vermisstenstelle unterstützt und dessen Ernennung durchgesetzt. Im Sommer trafen Martin, Funkel und ich uns oft auf ein Bier, wir waren Freunde geworden und blieben es auch, als meine Nähe zu Sonja begann. Ab und zu verteidigte Funkel meine Arbeitsweise gegenüber Thon, und ich revanchierte mich dann mit ein paar Wochen perfekt inszenierter Teamfähigkeit .
    »Wir würden gern Ihre Einschätzung der Lage hören, Herr Süden!«
    Ich sagte: »Eine Einschätzung ist nicht nötig, Sie kennen die aktuellen Fakten, jeder von uns hat in der Soko seine spezielle Aufgabe, die wir rund um die Uhr erfüllen. Wir werden die junge Frau finden.«
    »Sie sind bekannt als besonders spezieller Fahnder, Herr Süden, was ist für Sie diesmal anders als sonst?«
    »Zu viel Lärm drum herum«, sagte ich. »Und zu viel Lautlosigkeit im Innern.«
    »Was meinen Sie mit zu viel Lautlosigkeit?«
    Ich schwieg.
    »Was hast du denn damit gemeint?«, fragte mich Funkel eine halbe Stunde später in seinem Büro.
    »Wir sollten jemanden ab sofort observieren«, sagte ich.
    »Wen?«, sagten Funkel und Thon fast gleichzeitig.
     
    »Kaum geh ich zu meinen Eltern, schon klärst du einen Fall, der seit einem Jahr ungeklärt ist.« Martin blies den Rauch seiner Salemohne aus der Nase und hob sein Bierglas. »Möge es nützen!«
    Ich stieß mit meinem Wasserglas an. Wir saßen am Fenster der Gaststube, dort, wo die beiden Männer

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