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Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Titel: Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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in der Nacht Karten gespielt hatten. Auf die Terrasse des »Koglhofs« brannte die Sonne herunter .
    »Jetzt wirst du noch berühmter«, sagte Martin .
    Ich schwieg.
    »Große Leistung, Tabor.«
    »Ich habe nichts getan«, sagte ich. »Nur zugehört.«
    »Wer kann das schon?«, sagte Martin und trank und zog an der Zigarette. Grau und übermüdet saß er mit übereinander geschlagenen Beinen gekrümmt da, Schweiß auf der Stirn. Seine Jacke hatte er nicht ausgezogen, aber immerhin aufgeknöpft. »Mein Vater hat sich nach Willi und Lisbeth erkundigt, ich hab ihm gesagt, du hättst lang nicht mehr von ihnen gesprochen.«
    »Seit sie nach Tschechien gezogen sind, telefonieren wir höchstens einmal im Jahr«, sagte ich .
    »Gehts ihnen gut da? In der alten Heimat?«
    »Ja«, sagte ich. »Sie leben ja nicht in dem Dorf, aus dem Lisbeth und meine Mutter stammten, sondern direkt in Prag. Sie haben ihre Liebe zur Großstadt entdeckt.«
    »Zu Kafka und zum Tourismus auch?«
    »Vielleicht«, sagte ich .
    Wir schwiegen.
    Ich bemerkte, wie Irmi uns vom Tresen aus beobachtete .
    Anscheinend merkte sie, dass es besser war, uns nicht zu stören.
    Für einige Momente fielen Martin die Augen zu. Dann schreckte er auf, stöhnte, trank hastig einen Schluck Bier und wischte sich mit dem Arm den Schweiß von der Stirn.
    »Wann kommen die Kollegen dich holen?«, sagte er .
    »Sie sollten eigentlich schon da sein. Ich werde zu Fuß zum alten Feuerwehrhaus gehen.«
    »Du hast sie sauber ausgebremst.«
    »Zufall«, sagte ich.
    »Solche Zufälle gibts nicht«, sagte Martin. »Fährst du von der Soko aus nach München?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, mit Annas Eltern zu sprechen. Was soll ich in München? Ich habe Urlaub.«
    »Du könntest Sonja vom Flughafen abholen.«
    »Ja«, sagte ich. »Wenn ich wüsste, wann sie ankommt.«
    Bevor er etwas erwidern konnte, sagte ich: »Ich werde sie anrufen.«
    Nachdem sich Martin eine weitere Zigarette angezündet hatte, sagte er: »Wann wollen sie nach der Leiche graben?«
    Ich schaute zur Uhr über der Tür zu den Toiletten. Es war fünfzehn Uhr dreißig. »Jetzt.«
    »In Anwesenheit der Presse.«
    »Und ohne mich.«
    »Wollte Marienfeld, dass du dabei bist?«, sagte Martin .
    »Natürlich.«
    Martin trank das Glas aus und hielt es an seine Wange, wie um sie zu kühlen, eine beinah zärtliche Geste. Und vielleicht wegen dieser Handbewegung oder weil ich daran dachte, was in diesem Moment nicht einmal zwei Kilometer von uns entfernt passierte, legte ich den Arm um Martins Schulter und beugte mich zu ihm hin, als wolle ich ihm etwas Schönes zuflüstern .
    »Wir bringen nie Glück«, sagte ich. »Wo wir auftauchen, ist alles schwarz. Wir halten unsere Funzeln hin und merken nicht einmal, dass das Schwarz drum herum auf diese Weise nur noch schwärzer wird.«
    Martin nahm das Glas von der Wange und hob den Arm hoch, damit Irmi ihn bemerkte und ihm ein frisches Bier brachte. »Wir werden dafür bezahlt, unsere Funzeln ins Dunkel zu halten«, sagte er. »Und du bist heute der Oberfunzelhalter, also rasier dich lieber mal, bevor du an die Öffentlichkeit trittst!«
     
    »Wenn Martin in manchen Momenten nicht an meiner Seite gewesen wäre, hätte ich den Dienst schon längst quittiert«, sagte ich zu Anatol Ferenz .
    »Dann passen Sie auf, dass er Ihnen nicht verloren geht«, sagte der Priester.
    »Ja«, sagte ich. Und als wollte ich es beschwören, wiederholte ich: »Ja, ich werde aufpassen.«
    »Sie haben noch nicht auf meine Frage geantwortet: ob Sie Ihre Freundin heiraten werden.«
    Wieder gab ich keine Antwort .
    »Möchte sie es?«, sagte der Pfarrer .
    »Wir haben nie darüber gesprochen.«
    Nach einem Schweigen sagte Ferenz: »Und jetzt wechseln Sie von einer Tragödie direkt in die nächste.«
    »Vielleicht lebt die Tochter des Showmasters noch«, sagte ich.
    »Ich werde auch für sie beten.«
    »Möge es nützen!«, sagte ich und blickte zum Fenster .
    Weil ich mich aus Versehen vorgebeugt hatte, sah ich am Rand der Wiese wieder ein Stück rotweißes Plastikband, das zwischen Metallstäben gespannt war.

10
    V or etwa zwanzig Jahren hatte er im Haus Simon auf das Baby aufgepasst, zunächst mit seiner Frau, die gerade ein Kind bekommen hatte, und in den Jahren danach oft allein. Lucia schloss den bärtigen, rundlichen und wie ein Hüpfball herumspringenden Mann schnell ins Herz. Als er mit Frau und Kind in den kleinen Anbau auf dem Grundstück am Starnberger See

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