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Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Titel: Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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beinahe aus Versehen auf das brennende Streichholz .
    Anschließend redete er minutenlang kein Wort .
    Dann sagte er: »Wir sind für dieses Dorf nicht zuständig . Amen!«
    Und er winkte Irmi mit dem leeren Bierglas.
     
    Sechs Tage später stand Johann neben meinem Tisch und kratzte sich am Ohr. »Schad, dass du schon wieder wegfährst, heut Abend hätt ich frei.«
    »Ich habe einen neuen Fall«, sagte ich .
    »Gibs zu, du hast es eilig, hier rauszukommen.«
    »Wo raus?«, sagte ich .
    »Aus dem Kaff.«
    »Willst du dich setzen, Johann?«
    »Du isst doch grad.«
    »Das schaffe ich«, sagte ich. »Zur gleichen Zeit essen und mit dir sprechen.«
    »Dankschön.« Er setzte sich. Es war immer noch Erbsensuppe mit Würstel übrig, und ich hatte einen Teller bestellt. »Haufen Leut auf der Beerdigung, hab ich gehört.«
    »Ja«, sagte ich. »Viele Reporter auch.« In Gasthäusern, auf deren Tischen neben Salz- und Pfefferstreuern eine Maggiflasche stand, saß ich gern .
    »Pferdeblut«, sagte Johann Gross .
    »Bitte?«
    »Meine Mutter hat mir als Kind erzählt, Maggi wird aus Pferdeblut gemacht.« Er schaute mir zu, wie ich nachwürzte und den Löffel zum Mund hob .
    »Willst du probieren?«, sagte ich.
    Er schüttelte mit zuckenden Bewegungen den Kopf. Ich merkte ihm an, dass er etwas sagen wollte, sich aber nicht traute. Nervös kratzte er sich am Ohr. Dann eilte er zum Tresen, holte sein Tabakpäckchen und drehte sich, nachdem er sich wieder gesetzt hatte, eine Zigarette. »Ich rauch erst, wenn du mit dem Essen fertig bist, ist ja klar.«
    »Von mir aus kannst du rauchen«, sagte ich .
    »Ich wart schon.«
    »Stört mich wirklich nicht«, sagte ich .
    Nachdem er sie akkurat gedreht hatte, legte er die Zigarette behutsam vor sich hin, parallel zur Tischkante. Er schaute mir weiter beim Essen zu, und es kam mir vor, als starre er aus seinen müden, verschwommenen Augen, von einer inneren, unüberwindbaren Ferne her, nur vor sich hin, in die Leere der Gaststube, in die sich zufällig ein Fremder verirrt hatte.
    Ich wischte mir mit der Papierserviette den Mund ab und schob den Teller zur Seite. Wie unter Hypnose folgte Johanns Blick meinen Handbewegungen. Dann hob er ruckartig den Kopf . »Willst noch ein Wasser, Tabor?«
    »Nein«, sagte ich. Weil er mich weiter mit einem krakeligen Lächeln anschaute, sagte ich: »Hast du eine Freundin, Johann?«
    Er kratzte sich am Ohr und zündete sich mit seinem gelben Wegwerffeuerzeug die Zigarette an. »Nicht direkt.«
    Er rauchte und betrachtete den Rauch .
    »Und indirekt?«
    »Die Sissi«, sagte er .
    »Die Wirtin?«
    Er nickte fünf- oder sechsmal. »Ich wohn nebenan, in der alten Bude, im ersten Stock, das Haus gehört der Sissi, sie hats von ihrer Erbschaft gekauft.«
    »Ich war in dem Lokal«, sagte ich. »Wir hätten uns treffen können.«
    Er ging nicht darauf ein. »Wir sehen uns manchmal, sie ist auch allein, wie ich, sie kommt dann rüber nach der Arbeit manchmal …«
    »Sie wohnt nicht in dem Haus«, sagte ich .
    »Sie wohnt bei ihrer Schwester in Beverly Hills. Da, wo die Gespickten wohnen, am Grünerberg. Die Selly hat eine Werbeagentur in München, die verdient ein Schweinegeld, die kommt bloß alle Monat nach Taging, in ihre Villa, deswegen passt die Sissi da auf und wohnt die Teppiche ab.«
    Ich sagte: »Welche Teppiche?«
    »Die da am Boden liegen.«
    Ich schwieg. Dann fiel mir etwas ein. »Als ich mit Martin ins Lokal deiner Freundin gegangen bin, haben wir aus dem Haus nebenan einen Song gehört, Man in the Long Black Coat. «
    »Den spiel ich dauernd«, sagte er. »Hab den erst vor ein paar Monaten zum ersten Mal gehört, bei der Sissi in der Villa, hab mir gleich die CD besorgt. Ich spiel ihn nach, auf der Gitarre. She never said nothing, there was nothing she wrote, und so weiter …«
    »Das würde ich gern hören, wenn du den Song spielst«, sagte ich.
    »Nur, wenn du dazu trommelst!«
    »Wenn ich das nächste Mal komme, bringe ich meine Bongos mit«, sagte ich wie jemand, der Übung darin hat, leere Versprechungen zu machen .
    »Du kannst den Tisch nehmen«, sagte Johann, stand auf und verschwand in einem Nebenraum. Ich sah auf die Uhr über den Toiletten: fünf vor halb drei. In einer halben Stunde fuhr mein Zug.
    Mit einer schwarzen Westerngitarre kam Johann zurück und stellte den linken Fuß auf den Stuhl und schlug mit einem Plektron in die Saiten.
    »Den Takt kannst du dir aussuchen«, sagte er. »Vierviertel auf jeden Fall nicht.«
    Während er

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