Süden und die Frau mit dem harten Kleid
geklappt. Gott sei Dank! Ohne die Kinder würde ich eingehen. Die halten mich wach, die geben dem Ganzen einen Sinn. Ich bin froh, dass ich weg bin aus Schwabing, wir haben in der Tengstraße gewohnt, Johann und ich.«
»Wann haben Sie sich getrennt?«
Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie nicht daran erinnert werden. »Vor … ungefähr vor fünf Jahren, ich weiß nicht, was in den letzten zwei Jahren mit ihm passiert ist, ich meine, weil er jetzt verschwunden ist und … und seine …«
Sie stockte. Sie machte einen Schritt auf die Tür zu, verharrte.
»Das bedeutet, nach Ihrer Trennung haben Sie noch drei Jahren miteinander Kontakt gehabt«, sagte ich. Irgendwie hatte ich den Eindruck, ich hätte mich schon wieder geschwollen ausgedrückt.
»Kontakt«, sagte sie abfällig. »Kontakt, ja … Er zog in die Bauerstraße, das ist ums Eck von unserer alten Wohnung. Ein Saufkumpan von ihm hat ihm die Wohnung überlassen. Ich hab ihn ständig auf der Straße getroffen.«
Ich sagte: »Haben Sie seine Miete bezahlt?«
Sie kam auf mich zu. »Wirklich nicht! Er hat gearbeitet! Unvorstellbar, aber wahr. Auf einmal hat er Geld verdient. Er arbeitete als Lagerist in einem Baumarkt. Aushilfslagerist. Aber wieder mit Holz um sich rum. So hat er seine Miete bezahlt.«
»Seine Schwester weiß davon nichts«, sagte ich. »Sie sagt, sie hat ihm regelmäßig Geld geschickt.«
»Die Mathilda! Sie hat ihm Geld geschickt, immer wieder .
Er hat sich nie bedankt. Die Mathilda … Sie ist nett, aber sie lebt auch bloß in ihrer eigenen Welt da draußen in Münzing. Sie ist da nie weggekommen, und dann verunglückt auch noch ihr Mann. Sogar ihre Mutter hat es geschafft, da rauszukommen, sie nicht, die Mathilda hockt immer noch auf dem Land, und das Einzige, woran sie sich festhält, ist die Frage, wie es ihrem Bruder geht. Der hat sich nie um sie gekümmert. Trotz des Geldes, das ihr ja auch nicht in den Schoß fällt. Hat Sie Ihnen erzählt, er ruft jedes Jahr an ihrem Geburtstag an und gratuliert? Das erzählt sie jedem. Wenn ich mich richtig erinnere, hat er genau ein einziges Mal bei ihr angerufen, und da hat er sie um Geld angeschnorrt. Ich hab zufällig mitgehört, sie haben gestritten, und danach hat er sie nie wieder angerufen. Sie redet sich was ein, was bleibt ihr auch übrig? Sie schickt Geld. Vielleicht tröstet sie das. Die Leute brauchen einen Trost, sonst drehen sie durch. Das darf man nicht verurteilen, wenn sie sich belügen, ist das ihre Sache. Ich seh das so.«
»Johann hat seine Wohnung leer geräumt«, sagte ich und wollte jetzt nicht daran denken, wie Sonja Feyerabend reagieren würde, wenn ich ihr die Neuigkeiten mitteilte .
»Er ist verschwunden. Und es gibt Leute, die halten es für möglich, dass er sich umbringt.«
»Ich halte das auch für möglich«, sagte sie. »Aber bisher hat er es nie getan, wie gesagt.«
»Wo könnte er sein?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Seine Mutter war auch in der Bauerstraße. Was wollte sie?«
»Erst hat sie allein mit Mathilda gesprochen, da hab ich nicht zugehört, dann haben wir ein bisschen rumgeplaudert, ich kann die Frau nicht ausstehen.«
»Glauben Sie, sie weiß, wo ihr Sohn steckt?«
»Bei der weiß man nie.«
Ich sagte: »Stimmt es, dass Sie mit ihm bei einem Psychologen waren?«
»Woher wissen Sie das?«
»Ein Nachbar hat es mir erzählt.«
»Und woher weiß der das?«
»Von Johann oder von Ihnen.«
»Von mir nicht«, sagte sie und strich sich die Haare hinter die Ohren. »Das stimmt. Wir waren bei Dr. Posch, eine Kollegin in der Schule hat ihn mir empfohlen. Er ist Allgemeinmediziner und Psychotherapeut. Zuerst hab ich gedacht, er könnte Johann helfen, aber das war ein Irrglaube. Johann hat ihn ausgelacht, er war ein paar Mal dort, mir zuliebe, nichts ist dabei rausgekommen, nichts .
Immerhin habe ich auf diese Weise den Arzt kennen gelernt, und als es meiner Mutter immer schlechter ging mit ihrer Depression, bin ich zu ihm gegangen. Meine Mutter mag ihn, er kümmert sich um sie. Ich bin gleich wieder da.«
Sie verließ die Küche, und ich hörte, wie sie behutsam eine Klinke drückte.
7
» D ie Leute nennen ihn den Spinner von Schwabing«, sagte er, rieb sich mit dem blauen Handtuch übers Gesicht, trank Mineralwasser aus einer kleinen Plastikflasche und blies Luft zwischen den Lippen hervor. Vor zehn Minuten war Dr. Matthias Posch vom Joggen zurückgekehrt, und nun ging er im Zimmer auf und ab, um, wie er sich ausdrückte,
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