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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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    Franz Berkel war mit dreiundfünfzig Jahren gestorben, am Stein war ein kleines Schwarzweißfoto befestigt, und ich sah das Gesicht eines relativ jungen kraftvollen Mannes.
    »Ist er mit Susanne Berkel, der Polizistin, verwandt?«, fragte ich Mathilda, nachdem sie sich wieder bekreuzigt und mit einer Kusshand vom Grab verabschiedet hatte.
    »Ihr Vater«, sagte sie. »Er hat sich erschossen. Er war … er war schwermütig, er hat den Duschvorhang abmontiert, hat ihn in der Garage aufgehängt, hat sich davor hingestellt und in den Kopf geschossen. In einem Abschiedsbrief hat er geschrieben, er wollte keine Sauerei veranstalten, so bräuchte seine Frau bloß den Duschvorhang wegschmeißen mit all dem … den Resten seines Kopfes … Sie hat es mir selber erzählt, Erika. Susi war nicht da, sie hatte, glaub ich, schon mit der Ausbildung bei der Polizei angefangen, sie ist erst am Abend heimgekommen … Jetzt kümmert sie sich um ihre Mutter, deswegen hat sie sich auch hierher versetzen lassen. Aber die …«
    Wir stiegen ins Auto. Mathilda setzte sich neben mich auf die Rückbank. Sonja steckte den Schlüssel ins Zündschloss und wartete.
    »Die haben auch kein Glück«, sagte Mathilda. Müde lehnte sie den Kopf ans Fenster. »Erika hat sich bis heut nicht von dem Schock erholt, und Susi auch nicht, glaub ich, Susi auch nicht. Sie hat jetzt diesen Job … Bei der Polizei muss man doch fit sein, seelisch, oder nicht?«
    Sie sah mich an. Sogar das Blinzeln schien ihr schwer zu fallen. Wenn sie die Lider schloss, brauchte sie eine Weile, bis sie sie wieder öffnete und dann wirkte ihr Blick, als komme er von weit her. »Beim Schützenfest im Sommer trinken wir ein Bier zusammen, Erika, Susi und ich. Erikas Mutter und meine Mutter waren Freundinnen …«
    »Lebt Ihre Mutter noch?«, fragte Sonja .
    »Ja«, sagte Mathilda. Nach einer Pause fügte sie hinzu: »Wir haben keinen Kontakt. Nachdem mein Vater nach Ägypten zurück ist, ist sie nach München gezogen. Mein Bruder hat auch keinen Kontakt zu ihr.«
    »Wann ist Ihr Vater zurück nach Ägypten?«, fragte Sonja.
    »Vor zehn Jahren ungefähr«, sagte Mathilda, legte die Hand flach auf die Scheibe und ihre Wange darauf. »Er hatte Sehnsucht nach seiner Heimat, er ist nach Deutschland gekommen, um zu studieren, damals, er ist Zahnarzt, er traf meine Mutter, er baute eine Praxis auf …«
    Abrupt hörte sie auf zu sprechen. Sie zog die Stirn in Falten, nahm die Hand vom Fenster, setzte sich aufrecht hin und rückte ein paar Mal hin und her. Dann zog sie den Kragen ihres Wollmantels hoch und beugte sich leicht nach vorn.
    »Können wir losfahren? Ich will endlich wissen, was mit meinem Bruder ist.«
    Den Grund, warum ihr Mann so früh gestorben war, hatte sie uns nicht gesagt. Wir hatten auch nicht danach gefragt.
     
    Stumm wie auf der Hinfahrt saßen wir im Auto und fuhren zurück in die Stadt.
    Einmal sagte Sonja: »Wir müssen im Dezernat anrufen.«
    Ich sagte: »Hernach.«
    Kurz vor dem Ende der Autobahn fing es an zu regnen, der Scheibenwischer des Lancia quietschte, und Sonja drehte die Heizung auf.
    In der Tengstraße fanden wir einen Parkplatz. Bis zum Haus in der Bauerstraße waren es nur wenige Meter, wir rannten, und im Laufen holte Mathilda einen Schlüsselbund aus der Manteltasche.
    Auf den ersten Blick sah die Wohnung unbewohnt aus .
    Im Flur stand kein einziges Paar Schuhe, keine Mäntel oder Jacken hingen am Kleiderständer, einem verchromten Teil mit spitz zulaufenden Armen. In der Küche deutete nichts darauf hin, dass hier jemand vor kurzem gegessen und getrunken hätte, das Geschirr – fünf kleine, drei große Teller, mehrere Tassen in unterschiedlichen Formen, eine weiße und eine schwarze Keramikschüssel – befand sich im mittleren Teil des Hängeregals, der Rest war leer.
    Auf dem rechteckigen, schwarz gestrichenen Holztisch im Wohnzimmer lag eine Fernsehillustrierte, deren Programm am Sonntag, dem achten Oktober, endete. Ein kleiner Fernseher mit rotem Gehäuse stand auf einem Stapel Lexika, die von einer Staubschicht überzogen waren. Eine schmale grüne Couch mit Rissen und Brandflecken im Stoff, ein fast antik wirkender Holzstuhl mit hoher Lehne und geschwungenen Armstützen sowie eine Regalkonstruktion aus farbigen Brettern und Metallverstrebungen vervollständigten die Einrichtung. Auf den Brettern standen und lagen Taschenbücher, zerfleddert und teilweise vergilbt, vor allem Krimis und Kurzgeschichten, auch einige klassische Werke in

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