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Süden und die Schlüsselkinder

Süden und die Schlüsselkinder

Titel: Süden und die Schlüsselkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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zum Tisch, leerte die Flasche ins Glas und trank. »Ich hab hier alles, was ich brauch. Evelin, die Pächterin, ist eine alte Freundin von mir. Sie lässt mich umsonst wohnen, ist ja grad keine Messe oder Oktoberfest, das Zimmer würd eh leer stehen. Und jetzt wär ich gern allein.« Mit dem Glas in der Hand setzte sie sich wieder auf die Couch und schaute zum Bett.
    »Haben Sie keine Angst um Ihren Sohn?«, sagte Süden.
    »Der schafft das schon. Der läuft nicht zum ersten Mal weg, der macht immer, was er will. Den Betonkopf hat er vom Vater. Ich mach mir keine Sorgen. Wo hat er überhaupt ein Handy her? Ich hab ihm keins geschenkt.«
    »Er hat es einer Erzieherin weggenommen.«
    »Was sag ich? Er ist gerissen, er kennt sich aus, er macht, was er will. Der kommt schon wieder, wenn er Hunger hat. Würden Sie mich jetzt bitte wieder allein lassen?«
    Sie nahm einen Schluck, betrachtete das Glas, trank es aus und stellte es neben sich aufs Polster. »Ich verrat Ihnen mal was, weil Sie gar so trübsinnig dreinschauen. Als der Adrian in die Grundschule kam, lief er sofort weg, am ersten Tag, samt seiner Schultüte. Ich hab ihn zur Schule gefahren, wir haben uns verabschiedet, und eine Stunde später ruft die Direktorin an und fragt, wo der Adrian bleibt. Sturschädelig, wie er ist, ging er vorn zur Schule rein und hinten wieder raus, trieb sich den halben Tag in Haidhausen rum, und immer die Schultüte mit dabei.
    Und wissen Sie, wer ihn mir schließlich zurückgebracht hat? Ein Polizist. Nicht irgendein Polizist, sondern Gregor, der im Viertel unterwegs ist und mit den Leuten redet. Adrian kennt ihn seit dem Kindergarten, er wohnt in der Rablstraße, nicht weit weg von uns. Adrian ist oft mit ihm mitgegangen, stundenlang, obwohl er sonst nie mitwollte, wenn Ludwig und ich einen Ausflug gemacht haben. Gregor war sein Freund. So war das am ersten Schultag.
    Sein Vater hat ihn sauber zusammengestaucht, hat ihm die ganze Woche Hausarrest gegeben, kein Rumstrawanzen mehr mit Gregor. Den Adrian hat das nicht gekümmert, saß er halt in seinem Zimmer und hat mit seinen Autos gespielt und seinem zerzausten Stoffelch, oder er hat Bilder gemalt. Dumm ist der nicht, im Zeichnen war er immer der Beste in der Klasse. Sonst hat er sich für wenig interessiert. Zugehört hat er nie.
    Ich hab den nicht mehr in den Griff gekriegt, stur und verstockt ist der. Und ein Brocken von Kind, haben Sie mal ein Foto von ihm gesehen? Weiß nicht, wo er das herhat. An mir ist nichts dran, und sein Vater ist auch nicht grad ein Bodybuilder.«
    Sie lächelte, zum ersten Mal, und Süden verstand nicht, worüber. »Das nur zur Erklärung. Hat Ihnen das alles die Frau Hermann nicht erzählt? Die kennt den Jungen doch inzwischen, die hat auch ihre Not mit dem. Jeder hat seine Not mit dem Adrian, jeder.«
    »Ich nicht«, sagte Fanny mit finsterem Blick.
    Süden sagte: »Wer ist der neue Mann in Ihrem Leben?«
    »Das geht Sie einen Scheiß an. Wenn Sie nicht sofort verschwinden, ruf ich die Polizei.«
    »Tun Sie das.«
    Hannah Richter blieb sitzen und sagte kein Wort mehr, bis Süden und Fanny das Zimmer verlassen hatten.

[home]
    6
    A uf der Treppe griff Fanny nach Südens Hand und ließ sie auch nicht los, als ihnen eine Frau in einem dunklen Anzug entgegenkam und vor ihnen stehen blieb. »Wer sind Sie?«, fragte sie.
    »Tabor Süden.«
    »Fanny Wiese.«
    Die Frau lächelte. »Sie sind der Detektiv«, sagte sie zu Süden. »Ich bin Evelin Montag, mir gehört das Hotel.«
    »Kennen Sie Adrian, den Sohn Ihrer Bekannten?«
    »Natürlich kenn ich ihn, ein Treibauf, ich mag ihn sehr. Hannah hat leider ihre Schwierigkeiten mit ihm.«
    »Große Schwierigkeiten«, sagte Süden. »Sie hat ihn weggegeben.«
    »Das kann man so nicht sagen, das Jugendamt ist eingeschritten. Möchten Sie etwas trinken? Ich wollte zwar jetzt mit ihr reden, aber das kann ich später auch noch. Ihr Mann war hier und hat sich ziemlich übel benommen. Peter, mein Rezeptionist, hat ihn auf die Straße gesetzt, es gab eine Rangelei.«
    Kurz darauf saßen sie im Büro der Hotelchefin, die Süden eine Tasse Kaffee und Fanny eine Zitronenlimonade brachte.
    Evelin Montag war fünfundvierzig und übergewichtig, was ihre schwarze Kleidung nur unwesentlich kaschierte. Allerdings wirkte sie in keiner Weise schwerfällig. Ihr energisches Wesen passte zu ihrem offenen Gesicht und ihrer direkten Art zu sprechen. Mit den Umgangsformen der Klientel aus der Bahnhofsgegend hatte sie keine Probleme und

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