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Süden und die Schlüsselkinder

Süden und die Schlüsselkinder

Titel: Süden und die Schlüsselkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Erfolg. Daraufhin habe er sich entschlossen, nach Giesing zu fahren. Dass es keine Neuigkeiten gebe, sei »niederschmetternd«.
    »Wir erwarten jede Minute einen neuen Anruf von Herrn Süden«, sagte Ines Hermann. Sie trug ein blaues Plaid um die Schultern und hatte Schatten unter den Augen. Hinter ihr standen Karla Tegel und Fanny, die den Kopf gesenkt hielt und den Mann mit finsterer Miene beobachtete.
    »Herr Süden bemüht sich sehr«, sagte Ludwig Richter. »Stellt gute Fragen, lässt nicht locker.« Er verschränkte die Hände vor dem Bauch, nickte Karla zu und sah das Mädchen eindringlich an. »Du bist die Fanny. Adrian hat mir von dir erzählt, nicht erzählt, das weißt du ja, er schrieb mir auf deinem Handy. Er mag dich sehr. Er hat mir mal geschrieben, du würdest alles über ihn wissen, auch seine Gedanken. Und weißt du, was ich glaube? Ich glaube, du kannst mir und uns helfen, ihn wiederzufinden. Vor ein paar Tagen hat er mir etwas verraten, das ich dir eigentlich nicht sagen darf, und das hätte ich auch nie getan, ich schwör’s. Aber jetzt, wo er weg ist und ich das Gefühl hab, dass ich selbst ein wenig mit schuld dran bin, vielleicht hab ich in letzter Zeit falsch reagiert oder ihm was Falsches zurückgeschrieben, das kann schon sein, mir geht’s nicht besonders gut zurzeit … Jetzt also denke ich, ich sollte dir sagen, was Adrian mir anvertraut hat. Wenn etwas ganz Schlimmes passieren sollte, darf ich es dir verraten und du musst dann entscheiden, was zu tun ist. Klingt ganz schön verschwörerisch, aber ich habe ihn ernst genommen. Und du nimmst ihn auch ernst, das weiß ich, Fanny.«
    Er wandte sich an die beiden Frauen. »Sie nehmen ihn alle ernst, und ich bin froh, dass er hier ist, bis wir zu Hause die Lage wieder im Griff haben. Im Moment klappt das leider noch nicht.«
    »Das höre ich gern«, sagte Ines Hermann. »Bisher haben Sie anders gesprochen, aber wenn Sie sich weiter so öffnen für die Situation, in der Sie sich befinden, und das Wohl ihres Sohnes nicht aus den Augen verlieren, werden wir in absehbarer Zeit zu einer für uns alle befriedigenden Lösung kommen. Ganz bestimmt.«
    »Das glaube ich auch.« Richter ging in die Hocke. Unweigerlich landete ein Teil seines Wildledermantels im schmutzigen Schnee auf der Treppe. »Ich würde dir gern etwas anvertrauen, Fanny«, sagte er und wischte sich über den Mund. »Nur dir allein.« Er hob den Kopf zu Ines Hermann. »Erlauben Sie das? Adrian hat mich gebeten, nur Fanny einzuweihen, wenn es denn sein muss. Ob sie es Ihnen weitererzählt, liegt dann bei ihr. Ich möchte nur mein Versprechen halten, das ich meinem Sohn gegeben hab. Das ist wirklich eine ziemlich seltsame Information. Darf ich sie dir weitergeben, Fanny?«
    Das Mädchen in den grünen Wollsocken und dem braunen Kleid stand immer noch mit gesenktem Kopf schräg hinter Karla. Nach ihrer Rückkehr ins Zeno-Haus hatte sie zwei Stunden geschlafen, dann hatte ein Traum sie aufgeschreckt und sie brachte kein Auge mehr zu. Außerdem war sie immer noch sauer, dass Süden ihr Handy behalten hatte, so konnte Adrian ihr keine Nachrichten mehr schicken, das war gemein. Das war das Schlimmste von allem, noch schlimmer als der Traum, an den sie sich nicht mehr erinnern konnte. Wieso sollte Adrian seinem Vater ein Geheimnis anvertrauen und ihr nicht? Und wann hatte Adrian das überhaupt getan? Sie hatte ihm öfter ihr Handy geliehen, das stimmte, er spielte gern damit. Aber dass er heimlich an seinen Vater schrieb, hätte sie nicht gedacht. Sie musste Adrian zur Rede stellen, so viel stand fest.
    »Wenn Sie meinen«, sagte Ines Hermann und drehte sich zu Fanny um. Im ersten Stock fing ein Kind zu weinen an, wenig später ein zweites.
    »Völlig überraschend die Zwillinge wieder«, sagte Karla und ging die Treppe hinauf.
    Inzwischen machte Fanny zwei Schritte und blieb stehen.
    »Trau dich ruhig«, sagte Ines Hermann. »Ich bin ja da.«
    Der Mann kauerte auf der Türschwelle und lächelte. Fanny wunderte sich darüber, wusste aber nicht, wieso. Also ging sie an Frau Hermann vorbei und stützte die Hand auf die Schulter von Adrians Vater. In derselben Sekunde sprang Richter auf.
    Er umklammerte Fanny mit dem rechten Arm, schlug der Therapeutin die linke Faust ins Gesicht und rannte durch den Vorgarten auf die Straße. Ines Hermann taumelte und stürzte blutend auf den Parkettboden. Bevor Karla aus dem ersten Stock wieder herunter- und Yasmin Ebert aus der Küche in den Flur kam,

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