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Süden und die Schlüsselkinder

Süden und die Schlüsselkinder

Titel: Süden und die Schlüsselkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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aufgetaucht war, und gleichzeitig darum gebeten, noch eine Zeitlang mit ihr allein bleiben zu dürfen. Mehr denn je war er überzeugt, nur über sie an den Jungen heranzukommen. Ines Hermann sollte die Polizei informieren, damit die offizielle Suche nach dem Mädchen eingestellt werden konnte.
    Von Adrians Verschwinden hatten die Fahnder nach Fannys Entführung zwangsläufig erfahren, früher oder später würden sie Edith Liebergesell aus dem Schlaf klingeln und sie fragen, welche Erkenntnisse ihre Detektei bisher gewonnen habe. Dann müsste auch Süden seinen ehemaligen Kollegen Rede und Antwort stehen. Diesen Moment wollte er so lange wie möglich hinauszögern.
    Er hielt Fanny eine Mineralwasserflasche hin. Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Danke, dass du mich angerufen hast«, sagte er.
    »Das haben Sie schon mal gesagt.«
    »Du kannst du zu mir sagen.«
    »Hallo, du.«
    Süden lächelte. Nils warf ihm im Rückspiegel einen Blick zu.
    Fast zwei Stunden war Süden bei Steinfeger gewesen, als Fanny anrief, und er hatte ungewöhnlich hartnäckig schweigen müssen, bis der Lagerarbeiter Geduld und Nerven verlor. Zuerst schrie er Süden an, dass es niemanden etwas anginge, wie lange er schon ein Verhältnis mit Hannah habe, und noch weniger, dass Hannah beabsichtige, sich scheiden zu lassen. Dann beruhigte sich Steinfeger ein wenig. In den vergangenen Wochen habe er sich in der Arbeit kaum noch konzentrieren können, weil Hannah alle halbe Stunde zu ihm gekommen sei und ihn gebeten habe, »mit Ludwig was zu unternehmen«.
    Auf mehrmaliges Nachfragen, was Steinfeger hätte unternehmen sollen, meinte er: »Den einfach mal vorübergehend unschädlich machen.« Hannah wäre es am liebsten gewesen, wenn ein Unbekannter ihren Mann krankenhausreif geprügelt hätte, »und zwar gescheit«. Natürlich habe er, Steinfeger, davon nichts wissen wollen, aber Hannah habe sich in die Vorstellung »massiv reingesteigert«.
    Schließlich habe sie nach langer Zeit wieder Kontakt mit ihrer alten Freundin Evelin aufgenommen, und diese habe ihr angeboten, ein paar Tage in ihre Pension zu ziehen. Nach Meinung von Nils Steinfeger sei Hannahs Ehemann ein »verkappter Killer«.
    Süden dachte an die Aussage des ehemaligen Polizisten Berghof, der Richter eine »tickende Zeitbombe« genannt hatte. Dass Fanny diesen Mann trotz aller Drohungen und Misshandlungen überrumpelt hatte, bewunderte Süden unbändig.
    Obwohl sie den Parkplatz an der Wasserburger Landstraße, wohin sie von der Mönchbergstraße aus gefahren waren, endlich verlassen sollten, ehe eine Polizeistreife auf den Volvo mit den verbeulten Nummernschildern aufmerksam wurde, bestand Süden auf seiner Frage, die er dem Mädchen schon fünfmal gestellt hatte.
    »Wo ist dein Freund Adrian?«
    Sie hielt den Keks zwischen Daumen und Zeigefinger wie eine Hostie, reglos und mit gesenktem Kopf. Und dann tat sie etwas, das Steinfeger veranlasste, die Hände vom Lenkrad zu nehmen und den Kopf nach hinten zu drehen.
    Fanny küsste den Keks, wie ein Priester die Oblate, und legte ihn auf ihre linke offene Hand, auf den braunen Handschuh. Sie hob den Arm und sah Süden erwartungsvoll an. Nach einem Zögern nahm Süden den Keks, brach ein Stück ab und legte ihn zurück auf Fannys Hand. Daraufhin streckte sie den Arm nach vorn.
    »Tja«, sagte Steinfeger. Dann nahm auch er den Keks, knipste ein Eck ab und legte den Rest zurück, den Fanny sich sofort in den Mund steckte.
    Ein dreistimmiges Knacksen erfüllte das Auto und endete gleichzeitig.
    »Wo ist Adrian?«, fragte Süden noch einmal.
    Das Mädchen kaute auf den Lippen.
    Süden sagte: »Wir fahren los, wie besprochen.«
    Steinfeger startete den Wagen. Fanny seufzte. Zwei Minuten später war sie eingeschlafen.
     
    Der Schuss traf den Mann in die Schulter und schleuderte ihn zur Treppe zurück, vor der er schreiend zusammenbrach. Ludwig Richter hatte aus seinem Auto einen schweren Schraubenzieher geholt, mit dem er Nora Wieses Haustür aufstemmen wollte. Als die beiden Polizisten auf ihn zukamen, bedrohte er sie und brüllte, er würde sie niederstechen. Der Jüngere der beiden zog seine Pistole und forderte Richter auf, den Schraubenzieher fallen zu lassen. Stattdessen sprang Richter von der obersten Stufe in den Schnee und stürzte auf die Polizisten zu. Der Schuss erwischte ihn mitten in der Bewegung. Er wirbelte herum und blieb liegen. Der Schuss und Richters Schreien sprengten die Stille in der Gegend. Innerhalb von Minuten gingen

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