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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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haben viele seiner Nachbarn nicht gern, einige von ihnen überleben den Sommer deswegen nicht. Um seine Kinder kümmert er sich wenig, dafür, sagt er, hat er seine Weibchen. Für ein schnelles Bier ist der Elch immer zu haben, und wenn er gerade keine Lust hat weiterzugehen, verbringt er Tage am Tresen und unterhält sich mit der Wirtin. Der Elch kann sehr charmant sein. Wenn er flirtet, vibriert sein Geweih, das sieht erotisch aus. Was der Elch überhaupt nicht mag, sind betrunkene Angeber und gescheiterte Maler, die dann eine Galerie eröffnen. Wenn er so einen trifft, haut er ihn um, ob mit oder ohne Fahrrad. Der Elch kann eben nicht anders.
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    Ja, meine hübsche Hochwohlgeborene.

21
    D en ganzen Sonntag saß Süden im Auto und wartete. Wäre Martin Heuer in einer Stimmung wie gestern gewesen, hätte er gesagt, dass ein vierundvierzigjähriger Hauptkommissar, der an einem Sonntag, an dem er keinen Dienst hat, auf eigene Faust und allein einen Verdächtigen beschattet, der offiziell nicht unter Verdacht steht, ein Problem mit seinem Beruf und ein noch größeres Problem mit sich selbst hat.
    Trotzdem hatte Heuer angeboten, Süden abzulösen.
    Vielleicht hatten sie beide ein Problem.
    Wir haben ein Problem mit Ariane Jennerfurt und Niklas Schilff, dachte Süden. Wir haben den Fall einer Frau, die zweimal hintereinander spurlos verschwindet. Und es gibt Kollegen im Dezernat, die sagen, dass sie sich bloß herumtreibt und ihr altes Leben wieder aufgenommen hat. Beim Gedanken an das, was sie nach dem ersten Auftauchen von Ariane herausgefunden haben, kann ich ihre Meinung nicht verurteilen. Und doch gibt es ungeklärte Spuren, Widersprüche in den Aussagen von Schilff. Zuerst behauptet er, er sei nur im Flur gewesen, dann gibt er zu, dass er doch in der Küche und im Schlafzimmer war, er sei betrunken gewesen, könne sich nicht mehr genau erinnern. Interessanterweise haben wir im Flur keine Spuren von ihm gefunden. Dann das verschwundene Bettzeug. Die Scherbenreste. Blutpartikel. Und niemand hat was gehört, kein Getrampel, keinen Streit. Und niemand hat etwas gesehen. Und ich sitz hier und starr ein Haus an. Martin könnte das viel besser als ich, aber ich hab ihm gesagt, es reicht, wenn einer spinnt. Ich spinn nicht, ich bin hier richtig, ich erkenne nur noch nichts, ich muss noch intensiver hinschauen.
    Gegen dreiundzwanzig Uhr stützte er den Arm am Seitenfenster ab, legte den Kopf in die Hand und schloss die Augen.
    Als er sie wieder öffnete, waren zwanzig Minuten vergangen. Er riss die Tür auf und sprang aus dem Auto. Die Kälte machte ihn wach. Er war nicht müde gewesen. Er hatte keine Erklärung dafür, warum er die Augen geschlossen hatte. Sie waren ihm zugefallen.
    Was er tat, war absolut widersinnig.
    »Ich muss Herrn Schilff sprechen, ich bin ein Kollege, es ist sehr dringend.«
    »Der ist nicht da.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Er ist vor einer Viertelstunde weg«, sagte Ingo Bellnik.
    »Wann kommt er wieder?«
    Bellnik zuckte mit den Achseln.
    Mit diesem Achselzucken, das er kopierte, lief Tabor Süden anschließend die Landwehrstraße auf und ab, von der Sonnenstraße bis zur Paulskirche und auf der anderen Seite wieder zurück. Eine Stunde lang. Bis er genug davon hatte, sich selbst zu verspotten. Dann kehrte er nach Hause zurück.

    Das Büchlein in der Innentasche ihres Mantels war ein Geheimnis. Mit großer Wachsamkeit wollte sie darauf achten, dass er es nicht entdeckte.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Nichts. Schmeckt gut.«
    Von der Autobahntankstelle hatte er ihr drei belegte Baguettes, eine Tafel Schokolade, Erdnüsse und Mineralwasser mitgebracht. Bevor sie sich an den langen Tisch im Parterre setzen durfte, musste sie sich duschen.
    Schilff wartete vor der geschlossenen Tür.
    »Machst du Unsinn?«, fragte er, als sie herauskam, den Mantel eng um den Körper geschlungen.
    »Nein«, sagte sie.
    Daraufhin hatte er sie nicht wieder gefesselt. Sollte sie versuchen wegzulaufen, würde er sie bewusstlos prügeln.
    »Hast du Angst?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Du Kuh«, sagte er laut. Er sah sie nicht an.
    »Warum reden Sie so mit mir?« Ariane aß das zweite Baguette, das ebenso wenig nach etwas schmeckte wie das erste.
    »Wir duzen uns«, sagte er. Für sich hatte er einen Sechserpack Bier gekauft. Er war bei der dritten Dose.
    »Sie können mich duzen, das macht mir nichts.«
    Er stand auf und ging zum Fenster. Vom Garten war in der Dunkelheit wenig zu erkennen. Alles

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