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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Bier getrunken hab, dann ist es gut, dann denk ich an die Fälle, die ich bearbeitet hab und die wir zu Ende gebracht haben, erfolgreich. Ich denk an die Leute, die wir vernommen haben, an die Lügengeschichten, an die Wohnzimmer, in denen wir immer sitzen und dünnen Kaffee trinken müssen. An die geheimen Dinge, die uns die Leute anvertrauen, das ist alles gut dann. Und ich nehm mir vor, beim nächsten Mal noch besser aufzupassen oder nachsichtiger zu sein oder rabiater, je nachdem, ich spiel so rum, ich denk mir Sachen aus. Dann trink ich noch ein Bier. Dann ist Schweigen. Da denk ich gar nichts. Da sitz ich bloß da und schau rum. Und dann, nach dem sechsten oder siebten Bier geht's abwärts, dann bin ich klar und frag mich, was das alles soll, was ich jeden Tag da treibe, und dann möcht ich das nicht mehr. Ich möcht's nicht mehr, weil ich die Kraft nicht hab. Ich sehn mich nach einem einfachen Job, bei dem ich nicht so wichtig bin, bei dem mein Name keine Rolle spielt, ich tu etwas, weil ich es kann, und wenn's Probleme gibt, seh ich zu, wie ich sie beseitigen kann. Ich geh um fünf nach Hause und mach den Fernseher an oder geh ins Kino oder in die Kneipe, les die Zeitungen, trink was. Vielleicht hab ich eine Frau, die da ist und nicht viel fragt, eine, die auch arbeitet und ihr Leben hat, wir sind zusammen, wir kriegen das hin, wir nehmen uns beide nicht so wichtig. Das ist meine Vorstellung, ich möcht was ändern. Ich möchte, dass was Neues anfängt. Nächstes Jahr werd ich vierundvierzig und dann mach ich seit vierundzwanzig Jahren dasselbe. Das ist doch niederschmetternd, das ist doch absolut niederschmetternd.«
    Er kratzte sich im Gesicht. Und trank. Aus den Lautsprechern erklang ein Lied von Bata Illic.
    »Und die siebziger Jahre hören auch nie auf«, sagte er.
    »Wir hatten auch gute Songs«, sagte Süden.
    »Können wir gehen?«, sagte Sonja.
    Heuer griff nach ihrer Hand. Im ersten Moment erschrak sie. Seine Hände waren schneekalt.
    »Weißt du nicht, was ich meine?«, fragte er und zog die Schultern hoch.
    »Ich weiß genau, was du meinst«, sagte sie. »Wir müssen gehen, das ist der falsche Ort für solche Gedanken.«
    »Wo ist der richtige Ort?«, fragte er.
    »Draußen«, sagte Süden.
    »Nein«, sagte Heuer, »draußen nicht und hier auch nicht, da hast du recht, Sonja. Der richtige Ort, der bin ich selber, das hab ich schon verstanden. Aber es hilft mir nichts.« Er schwieg. Dann stand er auf.
    »Endlich«, sagte Lissi leise zu ihrer Kollegin.
    »Tut mir leid«, sagte Heuer und sah seine Freunde an. »Tut mir alles leid.«
    »Komm«, sagte Sonja. Nahm seine Hand und führte ihn aus dem Lokal. Süden bezahlte und folgte ihnen.
    Es war dunkel geworden. Sie standen auf dem Bürgersteig. Sonja hakte sich bei Heuer unter.
    Tabor Süden hatte vergessen, wo er den Dienstwagen geparkt hatte.

    »Können Sie mir einen Wagen leihen?«
    »Einen Wagen? Was für einen Wagen? Einen Leiterwagen?«
    »Ein Scheißauto.«
    »Ne.«
    »Sorry«, sagte Niklas Schilff, »ist ein mieser Tag. Können Sie mir bitte ein Auto leihen, ich möcht gelegentlich aus der Stadt raus. Unbemerkt.«
    »Sucht Sie die Polizei?«, fragte Ingo Bellnik, der Pächter der »Pension Odetta«.
    »Nein, ich will nur nicht, dass mich jemand findet.«
    Da seine alte Freundin Helga Grieg den Kerl empfohlen hatte, wollte sich Bellnik nicht den Kopf über ihn zerbrechen. »Mein Bruder hat einen Wagen, einen Audi, ist sein Zweitwagen. Kostet was.«
    »Wie viel?«
    »Ich muss ihn fragen.«
    »Okay. Dann brauch ich noch ein paar kalte Biere.«
    Im Zimmer stellte Schilff die sechs Flaschen auf den Tisch, direkt vor die Wand. Öffnete die erste. Trank. Und rülpste.
    Ich hab mit dir geredet, die ganze Zeit. Ich wollt dich fragen, ob du die Scheißblumen an dem Scheißbaum nicht wegräumen kannst. Im Schulbus glotzten alle da hin, und das fand ich zum Kotzen. Hinterher fragten sie mich jedes Mal, wie es meiner Mutter geht, und ich sagte: Schlecht, scheißschlecht, und irgendeine Keule war immer in der Nähe, die mir dann den Kopf tätscheln wollte. Aber das hab ich ihr einprägsam verboten. Ich wollt ihr nicht weh tun, wer nicht hören will, muss fühlen.
    Schilff drehte die Flaschen um. Der Anblick der Etiketten widerte ihn an. Mittlerweile hatte er die dritte Halbe fast geleert. Und die Wand vor ihm bewegte sich, je länger er hinsah. Die gelbe Tapete wurde körnig wie Sand. Und er sah Fußspuren. Schmale Abdrücke. Wie von den Füßen einer

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