Suehne
sich für das Rhode-Island-Dressing entschieden. Er wusste aus Erfahrung, dass das essbar war. Gelegentlich kaufte er es sogar selbst und goss es über seine hausgemachten Hamburger mit viel Käse und Mayonnaise.
Am Tresen hatte er dann lange überlegt: Beefsteak mit Bratkartoffeln, Gurke und Sahnesauce, Spaghetti Carbonara mit rohem Ei und Scholle mit Salzkartoffeln und Mayonnaise. Sein starker, unbezwingbarer Charakter hatte gesiegt, und er hatte Fisch genommen, obwohl Fisch was für Schwuchteln, Nahkampflesben und Zeugen Jehovas war. Vielleicht trotzdem einen Versuch wert, dachte Bäckström, dem plötzlich ganz feierlich zumute wurde.
Jetzt musste er noch ein Getränk wählen, Leitungswasser, Orangensaft, Mineralwasser oder ein fast alkoholfreies Bier? Er wählte das Bier, da er seine Enthaltsamkeit jetzt zur Genüge bewiesen hatte. Außerdem schmeckte das Leichtbier so furchtbar, dass es vermutlich geradezu gesund war.
Eine Viertelstunde später war er fertig. Jetzt noch einen Kaffee und ein Mazarin, ein Gebäckstück mit Zuckerguss, vielleicht sogar eins mit Marzipan und Schokoguss.
Mäßigung, Bäckström, Mäßigung, dachte Bäckström und legte mit fast stoischer Ruhe das Marzipangebäck zurück und begnügte sich mit einem einsamen Mazarin auf seinem Tellerchen. Dann begab er sich mit seinem Kaffee an einen Tisch in einer ruhigen Ecke, um in Ruhe sein frugales Mal beenden zu können.
15
Eine Stunde später fand die zweite Sitzung mit seinem Ermittlerteam statt. Bäckström fühlte sich mit sich im Reinen und ausgeglichen und hatte den Eindruck, endlich die totale Kontrolle über die Situation zu besitzen. Ihm war nicht einmal das Blut zu Kopf gestiegen, als er Kriminalinspektor Lars Alm gebeten hatte, die Sitzung damit zu eröffnen, seine Erkenntnisse über ihr Opfer vorzutragen und über die letzten Stunden seines betrüblichen versoffenen Lebens.
»Vielleicht willst du ja anfangen, Lars«, sagte Bäckström und lächelte den Angesprochenen freundlich an. Der alte Holzkopf vom Dezernat für Gewaltverbrechen in Stockholm. Wie so jemand Polizist werden durfte, dieses Rätsel würde er vermutlich nie lösen können. Kriminalinspektor Lars Alm hatte Seppo Lauren vernommen, einen der jüngsten Nachbarn des Mordopfers. Er hatte ihn zu Hause im Hasselstigen 1 angetroffen, in einer Wohnung, die seiner Mutter und ihm gehörte. Dass Alm als Erstes ihm einen Besuch abgestattet hatte, lag daran, dass Lauren zehn Jahre zuvor wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von sechzig Tagessätzen verurteilt worden war. Er war zusammen mit sechs weiteren AlK-Fans, die nach einem Spiel im Rasunda-Stadion im V-Bahnhof Solna Centrum einen Anhänger der gegnerischen Mannschaft misshandelt hatten, festgenommen worden. Sonst lag nichts gegen ihn vor. Lauren war mit der geringsten Strafe davongekommen. Er war der Einzige im Haus mit einer Vorstrafe wegen eines Gewaltverbrechens und außerdem Nachbar des Opfers. »Du oder ich, Lars?«, hatte Annika Carlsson gefragt und Alm zugenickt. »Ich kann ihn vernehmen«, hatte Alm gesagt. »Danke, Lars«, hatte Annika geantwortet. Ein Kind in einem Männerkörper, hatte Alm gedacht, als sie Lauren nach beendeter Vernehmung verlassen hatten. Er war sicher zehn Zentimeter größer und zehn Kilo schwerer als er, hatte breite Schultern und lange, baumelnde Arme. Ein erwachsener Mann, wäre ihm nicht sein langes, blondes Haar ständig in die Stirn gefallen und hätte er es nicht ständig mit der linken Hand beiseite gestrichen. Seine Augen hatten etwas Treuherziges. Es waren die Augen eines Kindes, blau waren sie auch. Seine Bewegungen waren ungelenk, er schien seine Glieder nicht recht in der Gewalt zu haben. Ein Kind in einem Männerkörper, zu schade, hatte Alm gedacht, als sie gegangen waren. Am Nachmittag des 14. Mai war Karl Danielsson gegen vier Uhr nachmittags im Hasselstigen 1 in Solna eingetroffen. Er war aus einem Taxi gestiegen, hatte bezahlt und war in der Haustür mit Seppo Lauren, neunundzwanzig, zusammengestoßen.
Lauren war trotz seines nicht sonderlich hohen Alters Frührentner und wohnte im Augenblick allein. Seine Mutter, mit der er normalerweise die Wohnung teilte, hatte einen Schlaganfall erlitten und befand sich seit einiger Zeit in einer Rehaklinik. Danielsson hatte Lauren erzählt, er sei in der Stadt auf der Bank gewesen und habe ein paar Besorgungen gemacht. Er hatte Lauren zwei Hunderter in die Hand gedrückt und ihn gebeten, für ihn einzukaufen. Er selbst
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