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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Spitznamen ›Zipfellutscher‹. Stimmt das?«
    »Wer sagt dir, dass ich einen Vetter Arnold habe?«
    »Und stimmt es, dass ihr eines Tages von der Lehrerin erwischt worden seid, als ihr euch auf dem Klo gegenseitig die Schwänze angefasst habt, und sie hat euch vor aller Welt den nackten Hintern versohlt, und du hast nachher geflennt wie eine Trine und dir mit beiden Händen deinen knallroten Arsch gehalten? Stimmt’s, oder stimmt’s nicht?«
    Schwer atmend zielte Helliwell mit dem Schlagstock auf Peters Gesicht.
    »Jetzt sag schon, wer diesen Scheiß über mich erzählt, oder du bist tot.«
    »Ich, Chef.«
    Helliwell war so überrascht, dass er nicht sofort reagierte, und Peter nutzte sein Zögern zu einem saftigen Fußtritt in seine Eier. Mit einem Aufschrei schlug der Profos hin und wälzte sich auf dem Boden. Als er endlich wieder aufstehen konnte, waren die anderen blauen Overalls schon längst über Peter hergefallen, und Helliwell begnügte sich mit dem Schrei: » KAAAARZER !«
    Peter massiert sich die Rippen und den Bauch, um seine Muskeln zu entspannen. Blind vor Wut hat ihn Helliwell nur flüchtig abgetastet, ehe er ihn barfuß im Finsteren einsperrte. Hätte er ihn gründlicher durchsucht, hätte er wohl den in seinen Overall eingenähten Plan entdeckt, ebenso die tags zuvor vom Schlüsselbund eines Vogts geklaute Minitaschenlampe und eine Reihe von Dietrichen, die Peter eigenhändig in den Werkstätten gebastelt hat.
    Als der Schmerz halbwegs erträglich ist, steht Peter auf und tastet sich blindlings die Wände entlang. Er stößt auf die Tür. Sie ist schwer und leistet Widerstand. Er behilft sich mit der Schulter. Sie gibt einen Spalt nach, ein Luftzug dringt herein. Peter schlüpft hinaus und drückt die Tür hinter sich zu.
    Im Flur herrscht tintenschwarze Dunkelheit. Peter tastet sich vorwärts und versucht, nicht an die Viecher zu denken, auf die er mit seinen nackten Füßen tritt. Dem Plan zufolge befindet sich der Zugang zu den unterirdischen Gängen am Ende des Flurs hinter einer schweren Tür aus Holzbohlen. Nachdem er übungshalber Dutzende Schlösser mit dem Dietrich geöffnet hat, weiß er, dass dieses Modell zwar darauf angelegt ist, Schlägen zu widerstehen, der Schließmechanismus aber immer recht einfach ist. Er schleicht die Wand entlang. Alle drei Meter gleiten seine Finger über die raue Oberfläche einer Karzertür. Er zählt sieben Türen. Seine Hände ertasten die letzte. Er kniet nieder, packt sein Werkzeug aus und klemmt sich die Taschenlampe zwischen die Zähne. In der pechschwarzen Finsternis verbrennt ihm der Lichtstrahl fast die Netzhaut.
    Er braucht weniger als drei Minuten, bis er ein erstes Klicken vernimmt. Das zweite dauert etwas länger, weil das Ding offenbar verrostet ist. Einer seiner Dietriche verbiegt sich; Peter sucht sich einen anderen, stärkeren, und stochert damit im Schloss herum, um den Stift aus dem Riegel zu hebeln. Gleichzeitig drückt er mit dem Knie gegen die Tür. Es knackt, und dann gibt die Tür ächzend nach. Ein lauer Luftzug weht ihm entgegen. Er knipst die Lampe aus und atmet tief durch. Der säuselnde Lockruf frischer Luft leitet ihn. Hinter der Tür ist der Boden sandig. Peter schließt die Tür hinter sich.
    Dem Plan zufolge wird sich der Gang mit den kreidigen Wänden, den er jetzt entlanggeht, irgendwann gabeln. Die Abzweigung nach rechts führt nirgendwohin. Links beginnt eine Art Rundweg um sämtliche Stollen, der mit einer leichten Steigung ins Freie führt. Etwa alle hundert Meter zweigt ein Stollen ab: Peter hat sich eingeprägt, dass er sich die ersten vier Mal systematisch links halten, dann drei Mal rechts und ein letztes Mal wieder nach links abbiegen muss. Unterdessen hat er die Weggabelung erreicht. Von links weht frische Luft. Rechts riecht es nach Moder und Schimmel. Er biegt in den Rundweg ein. Seine Finger zerreißen Spinnweben, die sich über die Wandflächen ziehen. Manche Netze sind bewohnt und klebrig. Zwischen den Füßen fühlt er flüchtende Ratten. Er trifft auf weitere Gänge, in denen die Luft steht. Er verliert alles Zeitgefühl. Manchmal hat er den Eindruck, dass die Finsternis weicht und ein trübes Licht in die Gänge strömt, doch gleich darauf liegt wieder alles in Dunkelheit, und ihm ist, als ginge er auf dem lichtlosen Grund eines tiefen Sees dahin.
    Aber er zählt gewissenhaft die Kreuzungen. Die Entfernungen scheinen sich endlos in die Länge zu ziehen. Er bemüht sich, die Lampe so selten wie möglich

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