Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption
hat. Sie berichtet vom Mord an Martha Pencher und den Gefangenen im Kellerverlies. Er liest die Wörter »Vergewaltigungen« und »Misshandlungen«. Er faltet das Blatt zusammen und überreicht es der Inspektorin, die es mit zitternden Fingern entgegennimmt. Jetzt halten beide das Blatt fest. Sie ist leichenblass.
»Können wir jetzt fahren?«, stammelt sie.
Auf ein Zeichen des Reverends hin treten die Profose vom Wagen zurück. Die Inspektorin hat die Hand schon am Türgriff, als sich Estermans Hand auf ihre Schulter legt. Sie zuckt zusammen und fährt herum.
»Vergessen Sie nicht Ihre Blumen«, sagt er mild.
Mit ausgedörrter Kehle greift sie nach dem Blumenstrauß, der auf dem Wagendach vor sich hinwelkt, und steigt ein. Hastig zieht sie die Tür zu und tastet nach dem Sicherheitsgurt. Ihr Kollege braucht drei Anläufe, bis es ihm gelingt, den Motor anzulassen. Der Reverend beugt sich zur Inspektorin hinunter und fordert sie mit einer Geste auf, das Fenster zu öffnen. Sie gehorcht.
»Was hält Sie dort draußen?«, fragt er.
»Wie bitte?«
»Ein depressiver Ehemann, eine miese kleine Spitzelarbeit, ein Hungerlohn? Warum bleiben Sie nicht bei uns? Sie könnten in der Küche arbeiten, fegen oder Hauslehrerin unserer lieben kleinen Teufel werden.«
»O Gott, Sie sind wirklich verrückt …«
Der Reverend lächelt eigenartig. Er fordert die Profose auf, das Tor zu öffnen. Dann beugt er sich noch einmal zu ihr hinunter und sagt: »Gute Fahrt wünsche ich Ihnen.«
98
Peter und die Verlorenen Jungs stehen am Zaun, Howard und Collie machen sich einen Spaß daraus, die Wachhunde zu ärgern.
»Sieh an, die Inspektoren hauen schon wieder ab!«, sagt Marcellus.
Peter blickt auf und sieht die Limousine davonfahren. Sie fährt zu schnell. Sie ist schon ein gutes Stück entfernt, als plötzlich in einer Staubwolke ein Polizeiwagen des Countys auftaucht und sich quer zur Straße stellt. Die Limousine ist zu einem scharfen Bremsmanöver gezwungen und schlittert über die Bankette. Der Inspektor steigt aus und geht rasch auf das Polizeifahrzeug zu, das mit eingeschaltetem Blaulicht wartet. Die Scheibe wird herabgelassen. Peter kneift die Augen zusammen und meint die Umrisse einer Sheriffmütze zu erkennen. Der Inspektor beugt sich vor. Er gestikuliert. Seine Körperhaltung strahlt Furcht aus. Er wendet den Kopf und deutet mit ausgestrecktem Arm auf Redemption. Die Hand des Bullen schnellt aus dem Wagen und packt ihn am Nacken. Der Inspektor schreit auf und versucht sich zu befreien, doch der Sheriff rammt ihm mit der anderen Hand den Lauf seiner Waffe in den Mund und drückt ab. Es knallt, und in hohem Bogen schießt ein Blutstrahl aus dem Hinterkopf des Inspektors, den es rücklings niederstreckt. Starr vor Schreck beobachten die Verlorenen Jungs den Vorfall, Collie hält sich mit beiden Händen den Mund zu. Aus der Limousine gellt ein Schrei des Entsetzens. Panisch krabbelt die Inspektorin auf den Fahrersitz und lässt den Motor wieder an. Die weißen Rücklichter leuchten auf, als sie den Rückwärtsgang einlegt.
Sheriff Quincy ist ausgestiegen. Wie beim Training stellt er einen Fuß zurück und hebt mit gestrecktem Arm die .45 Automatik. Er senkt den Kopf, schließt ein Auge und zielt auf die Limousine, die mit durchdrehenden Reifen über die weiche Erde schlingert. Vier Mal hintereinander ertönt der trockene Knall eines Schusses. Mit vier zerplatzten Reifen kommt der Wagen zum Stehen. Die Inspektorin hat die Beifahrertür geöffnet. Auf allen vieren kriecht sie hinaus. Seltsamerweise drückt sie noch immer ihren Blumenstrauß an sich. Wieder kracht ein Schuss, und wenige Meter vor ihr stiebt eine Staubfontäne auf. Die Frau schreit in Todesangst auf und flieht querfeldein, stolpert, strauchelt.
»He, Leute, schaut!«
Von einem Feldweg her hat ein Jeep mit mehreren Vögten an Bord die Böschung erklommen. Der Sheriff hat nachgeladen, spannt den Hahn und zielt in aller Seelenruhe. Es sieht fast aus, als zählte er. Wieder eine Detonation. Am Oberschenkel getroffen, stößt die Inspektorin einen Schrei aus und bricht zusammen. Der Jeep mit den Vögten bremst jäh ab. Mit einem Satz springt Marlow heraus und brüllt Quincy an, der die Achseln zuckt und die Waffe sinken lässt. Die Inspektorin hat ihren Blumenstrauß verloren. Sie stößt grässliche Schreie aus, hält sich das Bein und versucht aufzustehen. Es gelingt ihr nur beinahe, sie stürzt wieder hin. Marlow hat unterdessen von der Ladefläche des Jeeps
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