Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
Vom Netzwerk:
einen findet er einen Schlüsselbund, einen Zehndollar-Schein und ein paar Münzen. In der anderen ein zerdrücktes Zigarettenpäckchen und ein Feuerzeug. Peter zündet sich eine an und stößt genüsslich den Rauch aus.
102
    Peter hat den Ortsrand von Hastings erreicht. Heruntergekommene Häuser, ein Schrottplatz, aufgelassene Lagerhäuser. Stränge von Bahngleisen zwischen wucherndem Gestrüpp. Unter seinen Füßen beginnt der Boden zu zittern, dann fährt ein gewaltiger, endloser Güterzug an ihm vorbei Richtung Süden – New Orleans, verkündet ein an eine Tür gestecktes Schild. Beim Anblick einer halb geöffneten Waggontür gerät Peter ins Träumen: Man müsste nur aufspringen und mitfahren, weit weg in die großen Städte im Süden und in der Menge aufgehen. Von dort käme er weiter zum Mississippidelta und bestiege ein Schiff nach Mexiko. Er denkt an Wendy und die Verlorenen Jungs. Auch an die anderen gefangenen Jugendlichen, die Opfer des Wahnsinns in Redemption. Die Räder des Güterzugs rattern über die Weichen, und jetzt zieht auch der letzte Waggon vorbei und davon.
    Getarnt hinter Mützenschirm und Sonnenbrille, geht Peter an einem Lagerhaus entlang. Ein riesiger Hund wirft sich kläffend gegen den Gitterzaun. Peter beschleunigt und biegt an der nächsten Kreuzung ab. An der Ecke ist eine Tankstelle, die asphaltierte Fläche mit Ölflecken übersät. Der Tankwart seift mit einem Schwamm die Windschutzscheibe eines alten Pick-ups ein, und Peter grüßt ihn mit einem Nicken. Der Mann reagiert nicht, starrt ihn aber unverwandt an.
    Die Hauptstraße von Hastings ist eigentlich nichts anderes als die Nationalstraße, die beim Durchgang durch den Ort lediglich ein wenig schmaler wird. Peter stopft die Hände in die Hosentaschen und duckt sich unwillkürlich, wenn die Schwertransporter vorbeidonnern und die Luft zum Beben bringen. Es riecht nach Diesel und verbranntem Plastik. Eine eiserne Brücke führt ihn über einen phosphoreszierend blauen Fluss, und als er aufblickt, sieht er ein Stück weiter eine Chemiefabrik, die anscheinend die Verursacherin dieser widernatürlichen Farbe ist, weil sie ihre ätzenden Abwässer im Fluss entsorgt.
    Beim Anblick der Ortsmitte von Hastings wird ihm fast schlecht. Schmutzige Wohnhäuser, Fast-Food-Lokale, Ersatzteillager, Haushaltswarenläden – das ist das Leben hier. Peter zwingt sich, mit normaler Geschwindigkeit weiterzugehen. Erst jetzt ist ihm klar geworden, dass die Jungen, denen er die Kleider gestohlen hat, zwangsläufig in der Gegend hier wohnen – sehr leicht möglich, dass jemand die Klamotten erkennt, die er am Leib hat. Vor allem die Texaco-Mütze. Instinktiv zieht er den Kopf ein, als an der Kreuzung vor ihm ein Streifenwagen des Claiborne County abbremst. Der Fahrer scheint kurz zu zögern; dann biegt er in die Hauptstraße ein und kommt auf ihn zu. Durch die schmutzige Scheibe erkennt Peter eine Dienstmütze und eine massige Gestalt. Er denkt an Wendy. An diesem Gedanken hält er sich fest, um an nichts anderes zu denken. Der Wagen ist nur noch fünfzig Meter entfernt, als plötzlich ein Golden Retriever auftaucht und freudig wedelnd auf ihn zutrabt. Als sie zusammentreffen, leckt ihm der Hund die Hände, und Peter nutzt die Gelegenheit, um niederzuknien und ihm den Rücken zu streicheln und die Flanken zu tätscheln, während das Polizeiauto quälend langsam vorbeifährt. Die Sekunden ziehen sich. Peter spürt den Bullenblick im Rücken. Der Hund leckt ihm das Gesicht. Der Polizeimotor dröhnt und beschleunigt, der Wagen biegt um die Ecke. Peter richtet sich wieder auf und geht weiter. Es schnürt ihm die Brust zusammen. Ein Stück weiter entdeckt er seine erste Telefonzelle seit knapp einem Jahr, und es juckt ihn unbändig, auf der Stelle irgendeine Nummer zu wählen, nur um eine andere Stimme zu hören als die der Wahnsinnigen von Redemption. Gegenüber ist ein Lokal, und bei dem Anblick beginnt sein Magen zu knurren. Vergeblich ruft er sich zur Vernunft – er schafft es einfach nicht, der Verlockung eines Frühstücks zu widerstehen. Das Acht-Dollar-Menü – Rühreier mit Speck, ein Kaltgetränk und Kaffee nach Belieben: »Sie werden satt, oder Sie erhalten Ihr Geld zurück«, verspricht die Ankündigung. Er befingert die Münzen in seiner Tasche. Lässt den Zehner knistern. Er drückt die Tür auf.
    Drinnen sind die Bänke aus Kunstleder und die Tische aus Plastik. Hinter der Theke ist niemand. Peter setzt sich in den hinteren Teil des

Weitere Kostenlose Bücher