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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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einzuschalten, und wenn er es tut, hält er die Finger davor, um nicht geblendet zu werden. Fieberhaft prüft er im gefilterten Lichtschein die Karte. Nie hätte er sich vorgestellt, dass das Geflecht dieser unterirdischen Stollen dermaßen ausgedehnt ist. Allmählich dämmert ihm, dass man hier unten wochenlang unterwegs sein könnte, ohne je den Ausgang zu finden. Jetzt aber spürt er, dass der Boden leicht ansteigt, und der Luftzug wird deutlicher wahrnehmbar. Frischer auch. Wieder wedelt er mit den Händen vor seinem Gesicht, und nun ist er sicher: Es ist tatsächlich weniger finster. Seine Schritte werden länger. Plötzlich, nach einer Biegung, leuchtet ihm aus der Ferne eine Helligkeit entgegen, die wie eine Mondsichel geformt ist. Der Fleck wird größer – man möchte fast meinen, dass er blau ist. Peter spürt sein Herz stürmisch klopfen. Der Ausgang ins Freie!
101
    Peter blickt die mächtigen Baumstämme hinauf, zwischen denen er ans Licht gekrochen ist. Der Tunnelausgang befindet sich im Dickicht des Unterholzes und ist vollkommen unsichtbar für den, der nichts von ihm weiß. Er atmet, füllt seine Lungen mit den Gerüchen von Rinde, Moos, Laub, er atmet so tief, dass sich ihm nach den Grabesdünsten der Tunnels bald der Kopf dreht. Jetzt spürt er auch, dass er vor Hunger fast umkommt. Er blickt zum Himmel, der sich hoch über den Baumkronen wölbt: Nach dem Sonnenstand zu urteilen, dürfte seine Wanderung durch die unterirdischen Gänge knapp zwei Stunden gedauert haben. Beim Gedanken an den Rückweg schaudert ihn – hier in diesem lichtdurchfluteten Wald ist ihm allein die Vorstellung unerträglich. Er wendet sich nach Norden. Hastings ist gute sechs Meilen entfernt, und das bedeutet mindestens zwei weitere Stunden Fußmarsch. Ein Krampf reißt an seinen Waden, und er muss sich eingestehen, wie riskant es ist, in einer Kleinstadt herumzulaufen, in der jeder jeden kennt. Ganz zu schweigen von den lokalen Behörden, die wahrscheinlich durch und durch korrupt sind, wie etwa jener so menschenfreundliche Richter, der die Verlorenen Jungs nach Redemption geschickt hat. Ausgeschlossen, sich noch länger in der Gegend hier herumzutreiben. Aber ebenso ausgeschlossen ist es, in Häftlingsklamotten dort aufzukreuzen. Peter zieht sich aus und versteckt seinen Overall im Dickicht.
    Nach zwanzig Minuten Fußmarsch hört er auf einmal Gelächter und Rufe im Wald. Er erschrickt und versteckt sich hinter einem Baumstamm, um sich umzusehen. Er erspäht eine Lichtung: Von dort kommen die Stimmen. Er schleicht über welkes Laub bis zu einer Reihe von Büschen unweit der Lichtung, und von hier aus sieht er das Wasser eines Teichs zwischen den Bäumen blitzen. Ein hölzerner Steg führt hinein, dessen vorderes Ende, halb vermorscht, wie es ist, schon im Wasser versunken ist. Eine Gruppe junger Leute tobt im Wasser. Dann schwimmen sie um die Wette zu einem Inselchen in der Mitte des Teichs. Hin und wieder blitzt ein weißer Hintern aus dem Wasser. Peter späht hinter den Büschen hervor und entdeckt schließlich den Platz, an dem die Badenden ihre Kleider abgelegt haben. Neben Hosen, schmutzigen T-Shirts und Sandalen liegen etliche leere Flaschen Bier auf dem Waldboden. Die Burschen im Wasser stoßen ein Indianer-Geschrei aus. Peter wartet, bis sie im Schilfgürtel rund um das Inselchen verschwunden sind, dann schleicht er zu dem Kleiderhaufen, rafft alles an sich und rollt es zu einer Kugel. Er will schon kehrtmachen, als ihn ein unvermitteltes Schnarchen erstarren lässt. Mit angehaltenem Atem sieht er sich um und entdeckt am Fuß eines Busches eine schlafende Gestalt auf dem Waldboden, einen Kerl vom selben Schlag wie der Profos Helliwell. Noch ist der Typ nicht bei Sinnen, doch er rührt sich bereits. Peter packt einen umgestürzten Baumstamm, dünn, aber schwer genug, und stemmt ihn hoch über den Kopf. Dann lässt er ihn mit maßvoll dosierter Wucht auf den Schläfer fallen. Es kracht das Holz, es knackt der Knochen, das Schnarchen bricht ab.
    Das Kleiderbündel an sich gedrückt, flieht Peter hinter das Dickicht. Nach mehreren hundert Metern hält er atemlos inne und lauscht. Nun ist alles still, nur in den Baumkronen rauscht es leise, und hier und dort knackt ein Zweig. Er sucht sich eine Jeans und das am wenigsten ekelhafte T-Shirt aus, dazu ein Paar Sandalen, eine Sonnenbrille und eine alte Texaco-Mütze. Über die restlichen Kleidungsstücke häuft er welkes Laub. Dann inspiziert er die Hosentaschen: In der

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